Ein Plädoyer für eine bessere Welt

Hagen Rether brachte sein Publikum im Seidenweberhaus mit grausamen Wahrheiten zum Nachdenken.

Ein Plädoyer für eine bessere Welt
Foto: DJ

„Lassen Sie uns doch einen Moment lang die Freiheit genießen - wenn man bedenkt, wie viele Köpfe dafür schon rollen mussten“, beginnt Hagen Rether seinen vierstündigen (!) Diskurs im gut gefüllten Seidenweberhaus. „Da springen Leute in Griechenland und Spanien aus dem Fenster oder verkaufen ihre Nieren, und wir überlegen, ob ‘Wetten dass’ weitergehen soll“, fährt er fort.

Neben seinem Werben für Freiheit und Toleranz entlarvt er Demagogen und Populisten, Strippenzieher und Lobbyisten aus Politik, Religion und Umwelt. Den Religionen — und da nimmt er keine aus — gehe es seit Menschengedenken nur um Macht. Die Kirche sei eine Institution, die alles unter den Teppich kehre. Wäre der der Kinderpornografie beschuldigte Politiker Edathy ein Priester, wäre er in einer Nachbargemeinde untergekommen, so Rether.

Seine Waffe ist die Sprache, wenn auch leise und auf ruhige Art, die Zeit lässt zum Nachdenken und Verdauen. Mit geschliffenen Worten präsentiert er grausame Wahrheiten. Es ist volle Absicht, sein Publikum tief ins Mark zu treffen. Er will aufrütteln und verdeutlichen, dass nicht nur „die da oben“, sondern wir alle Protagonisten des gleichen Spiels sind. Bei einem Volk von „Gierhälsen“ mache es keinen Sinn, die Ackermänner dieser Welt ändern zu wollen, befindet er.

Mit „Liebe“, wie sein ständig aktualisiertes Programm seit Bill Clinton heißt, hat dies im Grund nichts zu tun. Allenfalls mit der Menschenliebe des Kabarettisten, der unerschütterlich an eine Umkehr vor dem Abgrund zu glauben scheint.

Nicht verstehen will Rether, warum so viel Wut unter den Menschen ist. Wut sei die Schwester der Angst, ein Wutbürger jemand, der gegen den Flughafen protestiere und am nächsten beweglichen Ferientag nach Mallorca fliege.

Deutschland sei das Land, das am wenigsten Geld für Lebensmittel ausgebe. Damit meine er nicht Hartz-IV-Empfänger, sondern Leute, die sich Theaterkarten leisten könnten. Da müsse man sich nicht wundern über unsägliche Mast- und Schlachtbedingungen inklusive miserabler Produktqualität.

Bis Mitternacht mutet der Kabarettist seinen Zuhörern einiges zu - physisch wie psychisch. Leider wird er gegen Ende langatmig und moralisierend.

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