Dujardin-Geschichte: Der gefährliche Weg des Weins

Die MS Imperial war das einzige Wein-Tankschiff auf deutschen Gewässern. Es fuhr zwischen Uerdingen und der Charente.

Wenn die MS Imperial 360 000 Liter Wein an Bord hatte, lag der Mittelteil, je nach Seegang, komplett unter Wasser. Nur eine schmale Brücke verband dann den Bug mit dem Heck. Die Fahrt auf dem Rhein lief entspannter.

Wenn die MS Imperial 360 000 Liter Wein an Bord hatte, lag der Mittelteil, je nach Seegang, komplett unter Wasser. Nur eine schmale Brücke verband dann den Bug mit dem Heck. Die Fahrt auf dem Rhein lief entspannter.

Foto: Dujardin

Krefeld. Wenn die MS Imperial in Uerdingen vor Anker ging, brandete am Ufer regelmäßig Jubel auf. Das lag nicht nur an den 360 000 Litern französischen Weins, die im Bauch des Schiffes hin- und herschwappten. „Jede Lieferung bedeutete, dass die Arbeitsplätze bei Dujardin auf absehbare Zeit gesichert waren“, erzählt Matthias Melcher, Erbe der 200 Jahre alten Weinbrand-Dynastie.

Zwischen 1954 und 1972 pendelte die MS Imperial für Dujardin zwischen Krefeld und der Charente — als erstes und einziges Wein-Tankschiff auf deutschen Gewässern. Melchers Großvater hatte es auf der Werft D. W. Kremer Sohn in Elmshorn bauen lassen, weil sich der Brennwein so in größeren Mengen transportieren ließ. Die acht Kesselwagen, die Dujardin auf der Schiene einsetzte, schafften gerade mal 80 000 Liter nach Uerdingen.

Bilder aus dem Dujardin-Archiv
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Hinzu kam, dass für jeden Wagen eine eigene Lebensmittelprüfung fällig war, die natürlich Geld kostete. „Da das Schiff nur einen riesigen Tank hatte, reichte dafür eine Prüfung“, erzählt Melcher. Auch sonst sind seine Vorfahren offenbar gewitzt und in profunder Kenntnis der deutschen Bürokratie zu Werke gegangen: „Die MS Imperial hatte 291 Bruttoregistertonnen. Ab 300 hätte immer ein Arzt an Bord sein müssen.“

Der wäre wohl mitunter vonnöten gewesen. Auf seiner Fahrt in die Gegend um Cognac war das Küstenmotorschiff auf dem Atlantik unterwegs. War es voll beladen, lag der komplette Mittelteil unter Wasser. Bug und Heck waren dann nur noch über eine schmale Brücke verbunden. „Das war eine sehr gefährliche Überfahrt“, sagt Melcher. „Es gab dramatische Situationen.“

Davon wissen wohl auch ehemalige Beschäftigte von Dujardin zu berichten. In einer Gastkabine durften laut Melcher verdiente Mitarbeiter mit auf Tour gehen. „Je nachdem, wie der Seegang war, bin ich nicht sicher, ob sich das immer wie eine Belohnung anfühlte.“ Doch einmal angekommen, entfaltete die Charente ihren Charme: „In den Archiven finden sich wunderbare Geschichten fürs Herz — von Matrosen, die nicht zurück aufs Schiff wollten, weil sie sich ein Mädchen angelacht hatten.“

War das Schiff in Uerdingen angekommen, begann eine weitere kuriose Prozedur. Der Wein wurde aus dem Bauch der MS Imperial herausgepumpt. Durch große Rohre, die unter dem Gelände der Spedition Erlenwein verlegt waren, gelangte er in vier Betontanks in den oberen Stockwerken der Brennerei.

An der Außenmauer sind noch heute die Skalen zu sehen, die weithin sichtbar den Füllstand der Tanks verrieten. „Mein Vater guckte damals nur aus dem Fenster und wusste: Wir müssen dringend Wein haben“, erzählt Matthias Melcher. In solchen Fällen ging die MS Imperial gleich wieder auf große Fahrt.

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