Die boxende Stadtsekretärin

Magdalena Dahlen ist Weltmeisterin im Super Bantamgewicht – und ab August Auszubildene in der Krefelder Verwaltung.

Krefeld. Während Magdalena Dahlen auf den Boxsack eindrischt, schaut sie, als wäre er ihr schlimmster Feind. Ab und zu entweicht ihr ein kurzer, spitzer Schrei. "Immer wieder die Rechte", weist sie ihr Trainer Manni Faber an. "Setz stärker deinen Körper ein." Nach der Einheit hat die 1,62Meter kleine Boxerin einen hochroten Kopf und der Schweiß rinnt ihr über die Stirn. Sie sieht vollkommen fertig, aber sehr glücklich aus.

"Endlich habe ich es geschafft, wieder ein bisschen Ordnung in mein Leben zu bringen", sagt die 24-Jährige. Im August beginnt sie ihre Ausbildung zur Stadtsekretärin in der Krefelder Verwaltung, sie hat sich gegen 800 Mitbewerber durchgesetzt. "Die letzten Jahre waren sehr anstrengend und kraftraubend, deswegen ist es sehr schön, dass ich nun etwas Solides, Ruhiges machen kann."

Mit 15 Jahren hat Dahlen noch Tennis gespielt. "Aber das Training war mir immer schon zu lasch", erinnert sie sich lächelnd. Als ihr älterer Bruder sie dann irgendwann mit zum Boxtraining nahm, war sie sofort Feuer und Flamme. "Meine Eltern wollten erst nicht, dass ich mit diesem Sport anfange, er ist ja schließlich nicht besonders ladylike. Aber mit der nötigen Hartnäckigkeit konnte ich sie schließlich doch überreden."

Was sie besonders am Boxen reizt, kann sie auf Anhieb nicht erklären: Sie trainiert wie eine Wahnsinnige jeden Tag drei Stunden, verdient kein Geld, zahlt sogar noch drauf. "Wahrscheinlich ist es die Sucht nach Erfolg", sagt Dahlen. "Denn es ist ein hart erkämpfter Erfolg, eins gegen eins."

Fürs Boxen hat die gebürtige Solingerin sehr viel aufgegeben. "Ich habe diesem Sport alles untergeordnet: meine berufliche Karriere und mein Privatleben", sagt sie. "Erst der WM-Titel der Global Boxing Union im Bantam-Gewicht hat dem ganzen einen Sinn gegeben, auch wenn niemand mehr daran geglaubt hat."

Denn beinahe wäre aus ihr ein verbranntes Talent geworden. Zwar hatte sie zwischenzeitlich einen Vertrag mit dem Boxstall Universum in der Tasche, der entpuppte sich allerdings nicht als Ticket zum Erfolg. "Universum war ein Minusgeschäft für mich", zieht sie Bilanz. "Ich habe mein Studium abgebrochen, bin mit Sack und Pack nach Hamburg gezogen und war total unglücklich." Kein Wunder, denn sie hatte in dieser Zeit "zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben".

Zwei Monate lang musste sie in der Halle schlafen, weil sie kein Geld für eine Wohnung hatte. Und auch der sportliche Erfolg wollte sich nicht einstellen. "Ich hatte als Außenseiterin zwei Stall-Kämpfe gegen die Weltmeisterin Alesia Graf und absolut keine Chance."

Im März 2009 wurde der Vertrag gekündigt. Dahlen, die in ihrer Freizeit zur Entspannung putzt, abspült, kocht und näht, stand vor dem Nichts und hatte eine deftige Sinnkrise. "Aber ich wollte es noch einmal wissen und bin deshalb zurück zu Manni gegangen."

Mit dem Wechsel kam der große Sieg: Im November konnte sie sich ihren ersten Weltmeister-Gürtel um die Hüften schnallen. "Jetzt will ich alles etwas ruhiger angehen lassen, denn ich bin nach zehn Jahren Hardcore-Power echt geschafft."

Die zierliche Single-Frau muss sich nichts mehr beweisen: "Ich freue mich auf mein Leben in Krefeld und darauf, auch wieder ein ganz normales Mädchen zu sein."

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