Burg Linn: Jazzfans – nass, aber glücklich

Das bisschen Regen hält keinen fern: 700 Zuschauer erleben auf Burg Linn eines der besten Konzerte der vergangenen Jahre.

Krefeld. Was für ein Glück im Unglück: Als am Samstagnachmittag der Himmel über Krefeld seine Schleusen öffnet, sieht Jazzklub-Geschäftsführer Günter Holthoff schon all seine Felle fürs Jubiläums-Jazzfestival auf Burg Linn davon schwimmen. Und dann kommt doch noch alles anders.

Mit dem nachmittäglichen Guss, der zudem sanfter ausfällt als in den Nachbarstädten, hat sich das Unwetter verausgabt. Das 25. Festival "Jazz an einem Sommerabend" startet zwar mit Nieselregen, doch 700 Besucher trotzen dem Wetter und erleben eines der besten Konzerte der vergangenen Jahre.

Hunderte von Anrufern haben sich wegen der schlechten Wetterprognosen in den zwei Tagen vor dem Festival erkundigt. Ob es überhaupt stattfindet, wollen sie wissen. "Das war Stress pur", sagt Günter Holthoff. Umso glücklicher ist er, als spät in der Nacht der letzte Ton verklungen ist. "Alle waren zufrieden", bestaunt Holthoff den Langmut der Besucher, die bis etwa 21 Uhr klaglos im Regen hockten.

Als regionale Vertreterin der Jazzszene eröffnet Angela Niescier den Bühnenreigen. Die Kölner Altsaxofonistin startet mutig mit sperrigem Avantgarde-Jazz, begleitet von Sebastian Gramss am Kontrabass und dem New Yorker Tyshwan Sorey am Schlagzeug. Soreys so freies wie druckvolles Spiel wirkt auf Niescier offenbar inspirierend.

Im Niemandsland zwischen Modern Jazz und Fusion ist der zeitlos schöne Jazz des Quartetts von Greg Osby (Altsaxofon) und Marc Copland (Piano) angesiedelt. Dabei wirkt Osby fast ein wenig zu elegant, Niescier kann man im Nachhinein einen charaktervolleren Auftritt bescheinigen. Geradezu schulmäßig sind die Spannungsbögen, die Copland dem Klavier entlockte. Phil Donkin (Bass) und Bill Stewart (Schlagzeug) erzeugen mit ihm die subtilsten und vielschichtigsten Klangwelten des Abends.

Da Stewart souverän den "State of the Art" im Modern-Jazz-Drumming demonstriert hat, hat es der Italiener Aldo Romano im Trio des französischen Ausnahmeklarinettisten Louis Sclavis danach hörbar schwer. Die dritte Band des Abends lebt von den solistischen Leistungen Sclavis’ an Bassklarinette und Sopransaxofon, aber auch von denen Henri Texiers am Kontrabass. Sclavis und Texier gelingen berückend schöne Melodien.

Lange warten muss der letzte Star des Abends, bevor er endlich loslegen kann. Dann dreht James Carter entsprechend auf. Kompromisslos lässt er seiner Virtuosität zunächst auf dem Sopransaxofon, dann auf Querflöte, Bassklarinette und Tenorsaxofon freien Lauf.

Aus musikalischer Sicht hätte er seiner Spiellust mehr Zügel anlegen müssen, seine ungestüme Show aber reißt das Publikum in der späten Nacht noch einmal richtig mit. Hinter der Expressivität Carters fällt die formal konventionelle Hardbop-Begleitung seines Quintetts deutlich ab.

Den jungen Trompeter Corey Wilkes möchte man gerne einmal hören, wenn er nicht nur einem alles übertönenden Bandleader Atempausen verschaffen muss.

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