Auf dem Sofa mit Winnetous Schwester Nscho-tschi

Marie Versini ist ein gern gesehener Gast in Krefeld – die Geschichte einer Freundschaft.

Krefeld. Das Leben ist voller seltsamer Zufälle oder, je nach Sichtweise, gespickt mit schicksalhaften Begegnungen. 1966 träumte in Krefeld der elfjährige Joachim wie fast alle Jungen in seinem Alter von Winnetous schöner Schwester Nscho-tschi. Im gleichen Jahr kommt die Darstellerin des treuen Indianermädchens, die Französin Marie Versini, zur Premiere von "Winnetou und sein Freund Old Firehand" in die Seidenstadt.

42 Jahre später sitzen der Fan und sein Star gemeinsam auf einem Sofa im Stadtteil Lindental. Über seine Leidenschaft für Karl May hat Joachim Watzlawik, kultureller Cheforganisator der Friedenskirche, Versini vor vier Jahren kennengelernt. Sie kam zu einer Lesung in die Stadt, und als er sie vom Flughafen Düsseldorf abholte, sagte sie mit bezauberndem Akzent zu ihm: "Du bist ja so groß wie Old Shatterhand." Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Heute ist Familie Watzlawik regelmäßig zu Gast in Paris, wo Versini mit ihrem Mann, Regisseur Pierre Viallet, lebt. Umgekehrt weilt Versini etwa einmal im Jahr am Niederrhein und verbindet dies meist mit einem Bühnenauftritt. "Wir sind Freunde geworden", sagt der Filmstar über Watzlawik. "Es ist doch wunderbar, mit Menschen zu arbeiten, mit denen man sich versteht."

Der Krefelder Kulturmacher hingegen gibt zu, dass es "manchmal ein komisches Gefühl" ist, Versini persönlich zu begegnen: "Sie hat damals eine Generation verzaubert." Noch heute werde sie manchmal von Fans auf der Straße angesprochen, erzählt Versini: "Die Rolle war das größte Glück meiner Karriere", sagt sie. "Obwohl ihr Bild mich danach verfolgt hat." Aber schließlich sei selbst Romy Schneider für viele immer die Sissi geblieben.

Die Gäste des Kulturpunkts können heute eine ganz andere Marie Versini kennenlernen: Ihr Mann inszenierte sie 1959 als Clara Schumann. Jetzt zeigt Watzlawik den Film, und Versini liest aus Briefen der Komponistin. Das wird neben Klassikfreunden wohl wieder jene Nostalgiker anlocken, die Nscho-tschi einmal aus der Nähe in die dunklen Augen blicken wollen.

Die Rolle des Indianermädchens hatte Marie Versini schon als Kind ihren Eltern vorgespielt. Zwar ist Karl May in Frankreich völlig unbekannt, doch ihr Vater, ein Germanist, hatte seiner Tochter die Wild-West-Geschichten schon am Kinderbett erzählt. "Ich wollte immer Nscho-tschi sein", sagt Versini. Manchmal bietet das Leben Raum für solche Träume.

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