Auf dem Fahrrad zurück ins Leben

Volker Heisters hatte Krebs. Ihm musste ein Teil der Lunge entfernt werden. Der Ausdauersport gab ihm wieder Kraft.

Krefeld. Mehrere hundert Kilometer fährt Volker Heisters jede Woche mit dem Rennrad. Der Ausdauersport ist seine Leidenschaft. Und das, obwohl ihm ein Teil seines Atmungsorgans fehlt. Denn der 52-Jährige hatte Lungenkrebs. Doch das Radfahren, sagt er, hat ihm zurück ins Leben verholfen.

Der Krefelder glaubt, dass jeder eine Geschichte zu erzählen hat. „Und es ist total super, mit Leuten zu reden und ihnen zuzuhören. Das kann helfen, eigene Probleme zu lösen“, sagt er aus Erfahrung. Seine Geschichte soll andere ermutigen.

Im Frühjahr 1997 ist der Eventmanager Heisters viel unterwegs, hat reichlich Stress, raucht viel. An einem Sonntag blutet seine Nase. „Nichts Schlimmes. Da ich zu faul war, bin ich tags darauf zum Lungenfacharzt gleich nebenan gegangen“, schildert er. Sein Glück. Der Spezialist erkennt etwas, weitere Untersuchungen ergeben: Heisters hat Lungenkrebs. Mit 36. „Ich war irgendwie fassungslos. Aber ich habe die Erkrankung nicht ernst genommen. Ich wollte erst mal ein Festival zu Ende planen.“ Angst hat er keine.

Doch Heisters muss dringend operiert werden. Er feiert „noch einmal ordentlich“, dann folgen zwei Operationen, ein Teil der Lunge wird entfernt. Als er auf der Intensivstation aufwacht, kann er sich nicht bewegen, hat starke Schmerzen, das Atmen fällt schwer. „Da habe ich langsam kapiert: Das war keine Kleinigkeit, daran sterben viele.“

Heisters’ Lungenvolumen beträgt direkt nach der OP etwa ein Zwanzigstel des normalen Wertes. Physiotherapie und Lungenaufbauübungen stehen auf seinem Tagesprogramm. Bewegen darf er sich erst einmal nicht viel. „Doch dafür bin ich nicht der Typ“, sagt Heisters, der als Jugendlicher Eishockey gespielt hat. Er geht in der Klinik die Flure ab. Zwei Tage übt er, eine kleine Rampe hinaufzukommen.

In der Reha an der Ostsee, etwa drei Monate nach der OP, trifft Heisters andere Krebspatienten. „Einige haben gekämpft, andere aufgegeben.“ All diese Geschichten motivieren ihn. Der Musikliebhaber will wieder fit werden. „Dann stand da ein Fahrrad rum. Ich kann nicht genau sagen warum, ich habe mich einfach raufgesetzt.“

Heisters fährt, aber nicht weit. „Ich habe echt geheult, weil ich nicht viel geschafft habe.“ Doch er fährt weiter, schafft jeden Tag etwas mehr Strecke. „Einerseits habe ich mich total gefreut, weil es peu à peu aufwärts ging. Aber ich war auch total frustriert, weil ich schnell an Grenzen kam.“

Unterstützung erhält er von Freunden. „Einige waren auch nicht da. Vielen bereitet es Probleme, über den Tod zu reden. Aber ich habe geredet ohne Ende, bis heute. Ich gehe offen mit dem Thema um.“ Ein Thema, das auch Angst macht. „Die Ängste kamen, aber erst viel später“, sagt Heisters. Er erlitt Panikattacken, war in psychotherapeutischer Behandlung. „Alles Negative bricht sich dann Bahn.“

Das Radfahren hilft. Obwohl ihm ein Fünftel seines Atmungsorgans fehlt, verfällt Heisters der Ausdauersportart. „Irgendwie bescheuert“, sagt er heute. Doch es entspannt ihn körperlich wie seelisch, durch die Natur zu fahren. Er erlebt und genießt seit der Erkrankung viel intensiver. „Das Empfinden verschiebt sich, man fühlt, was man vorher nicht gefühlt hat. Das ist klasse, hätte ich mir aber nie erträumt. Daher kann man verzweifeln, darf aber nie aufgeben.“

Heisters lebt bewusster, hört auf zu rauchen, schult um zum Immobilienverwalter und entwickelt wieder einen sportlichen Ehrgeiz. Drei- bis viermal die Woche fährt er heute jeweils 60 bis 100 Kilometer.

Seit fünf Jahren macht er bei Rennen mit, zuletzt bei „Rund um Köln“, und schloss sich dem Nutrixxion-Team an. „Ganz vorne kann ich natürlich nicht mitfahren. Es geht ohnehin darum, an die Leistungsgrenze zu kommen“, sagt Heisters. Die nächste große Herausforderung des 52-Jährigen ist ein mehrtägiges Rennen über 450 Kilometer durch die Alpen.

Beeinflusst hat ihn ein Treffen mit einem 85-Jährigen während der zweiten Reha. „Der Mann fuhr seit 70 Jahren Rad. Während wir fuhren, erzählte er, ich hörte zu. Seine Augen glänzten, er hatte Kraft ohne Ende. Das hat mich inspiriert, weiterzumachen.“

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