„Das Laufen schenkt mir viel“

Uwe Ortmanns will in Berlin 42,195 Kilometer laufen – trotz Behinderung.

Krefeld. Vor 34 Jahren ist er mit einer geistigen Behinderung geboren worden - am Sonntag nimmt er am Berlin-Marathon teil. Uwe Ortmanns aus Anrath, der seit 2001 in der Ulrich-Lange-Stiftung in Traar wohnt, inzwischen selbständig in einer von der Stiftung betreuten Wohnung, hat die Anregung zum Laufen von Jochen Kamps (54) erhalten. Der absolviert selbst auch Marathonläufe.

Mit Walking und Fünf-Kilometer-Läufen hat Uwe Ortmanns begonnen, die Halb-Marathon-Distanz läuft er schon alleine. Für den Marathon weiß er: "Bei Kilometer 35 will der Körper nicht mehr, dann muss ich durchhalten." Dafür will Jochen Kamps neben ihm sorgen. Auf Dauer, so meint der erfahrene Läufer, hat Ortmanns ein Potential für eine Marathon-Zeit deutlich unter vier Stunden.

Einen Beweis für seine Leistungsfähigkeit hält Ortmanns in Händen: Die Urkunde bescheinigt ihm nicht nur die Teilnahme am Lauf 2008 über die Sophienhöhe bei Jülich, sondern für die 28,1 Kilometer eine Zeit von zwei Stunden 56 Minuten und 33 Sekunden. Unter den Männern über 30 war er Neunter. "Das ist ein harter, weil sehr bergiger Lauf", erklärt Kamps.

Als Uwe Ortmanns vor drei Jahren begann, bei den Uerdinger Makrolon-Runners zu trainieren, hat er eine Collage geklebt: Seinen Traum von der Teilnahme am Halbmarathon in Köln. Das hat er 2007 längst geschafft.

Musste Ortmanns anfangs noch von einem Laufpaten "gezähmt" werden, damit er das Tempo kontrolliert angeht, ist er inzwischen selbst Laufpate für andere Behinderte, die ebenfalls bei den Makrolon-Runners mitmachen. Deren Wahlspruch für die Lauftreffs lautet: "Lieber gemeinsam als einsam."

So geht es mehrmals in der Woche rund um den Elfrather See, bei Dunkelheit mit Stirnlampe. Wenn Berlin klappt, peilt Ortmanns schon das nächste Ziel an, den Düsseldorfer Marathon im nächsten Jahr. Betreuer Kamps ist ganz optimistisch.

Und eine Einladung nach Posen für den Herbst 2010 hat Ortmanns auch schon. Der fleißige Läufer ist gelernter Gartenbauwerker und arbeitet im Heilpädagogischen Zentrum "Impuls" in Kempen im Landschaftsbau. "Das Laufen hat mir ganz starke Erlebnisse geschenkt, ich habe neue Freundschaften geschlossen und werde als Sportler anerkannt - nicht als Behinderter", bringt Ortmanns seine Gefühle zum Ausdruck. Und: "Wenn ich laufe, fühle ich mich frei, so wie ein Vogel, ich komme auf andere Gedanken und bin glücklich."

Jochen Kamps ist stolz auf seine insgesamt vier behinderten Läufer: "Wichtig sind die persönlichen Kontakte, die Anerkennung, das steigende Selbstbewusstsein, die Integration über Aktivitäten." Nach Berlin sind Kamps und Ortmanns mit zwei weiteren Läufern mit dem Auto gefahren, übernachtet wird in der Jugendherberge an der Kluckstraße in Berlin-Mitte.

Am Sonntag um 9 Uhr ist Start für die Gruppe. Uwe Ortmanns freut sich auf Berlin. Da war er noch nicht. Er hofft, dass er von den vielen Eindrücken nicht zu sehr abgelenkt wird. "Ankommen ist alles" ist seine Devise.

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