Wenn der Notruf ins Leere geht

Immer mehr Krefelder rufen den Rettungsdienst, weil man bei der Nummer 116 117 lange warten muss.

Krefeld. Es ist Freitagmittag, und der 85-Jährigen geht es richtig schlecht. Sie klagt über Übelkeit, Schüttelfrost und ist auf dem Weg zur Toilette gefallen. „Da ihr Hausarzt nicht mehr erreichbar war, habe ich den ärztlichen Notdienst gerufen“, sagt Jutta Schönau. Sie wohnt in Hüls und ist die Nachbarin der Seniorin, versorgt sie regelmäßig.

Was sie unter der Rufnummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) erfahren hat, treibt ihr die Zornesröte auf die Stirn. Um den Schluss vorauszunehmen: Die Frauen haben keinen Arzt gesehen.

„Ich habe um 13.20 Uhr zum ersten Mal angerufen“, erklärt Schönau. „Ich musste für die bundesweite Registrierung alles angeben, vom Namen und Geburtsdatum über Anschrift, Telefon und Art der Beschwerden. Danach wurde ich nach NRW verbunden, wo dies erneut abgefragt wurde. Dort versprach man mir, einen Arzt, dessen Name genannt wurde, zu informieren und dass er kommen würde.“

Die Frauen warten bis 18 Uhr; sie sind sehr aufgeregt und um den Gesundheitszustand der 85-Jährigen besorgt. Jutta Schönau (69) ruft erneut an und bittet um ärztliche Hilfe. „Dabei spricht der Mann am Servicetelefon sehr unfreundlich mit mir und verstummt dann gänzlich.“ Als sie einige Zeit vergeblich auf ein weiteres Wort gewartet hat, äußert die Frau ein Schimpfwort und legt auf.

„Innerhalb von Sekunden hatte ich den Rückruf“, erklärt Schönau. „Der Mann drohte mir, das Schimpfwort habe ein Nachspiel, er werde die Staatsanwaltschaft verständigen.“ Doch davor hat die 69-Jährige keine Angst. „Wir entwickeln uns zur Zweiklassengesellschaft“, erklärt sie. „Beim privatärztlichen Notdienst läuft es bestimmt besser. Und ich rufe in Zukunft die 112 an.“

Diese Reaktion sei bekannt, der Rettungsdienst werde immer öfter angerufen, berichtet Ulrich Lenssen, der Ärztliche Leiter Rettungsdienst der Krefelder Feuerwehr. „Das ist deutlich zu spüren.“ Es sei sogar so, dass die KV-Mitarbeiter am Telefon bei Überbelastung die Menschen an die 112 verweisen, sagt der Arzt.

„Doch ein Mensch mit Bauchschmerzen gehört nicht zu uns. Wir fahren zwar hin, um nichts zu verpassen, müssen dann aber oft an die KV zurücküberweisen. Wir bekommen für die reine Fahrt nichts.“ Zudem rügt er, dass die Mitarbeiter am Telefon keine medizinische Bildung hätten. „Die fachliche Auswertung findet nicht statt.“

Karin Hamacher aus der Pressestelle der KV nimmt den Vorwurf der Frauen ernst. „Ich werde den Vorfall der Notdienstzentrale melden. In der Regel ist es so, dass die Ärzte bei einem engen Dienstplan zwischendurch bei den Patienten anrufen.“ Dass kein Mediziner gekommen ist, darüber ist sie „verwundert“.

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