Wenn der Glaube die Gesundheit beeinträchtigt

Krefeld. „Die Zeiten sind schon längst vorbei, in denen die Türken nicht zum Arzt, sondern in die Moschee gingen, um sich dort von den Gebeten des Hodscha Trost für ihre Erkrankungen zu holen“, sagt Nuray Aytekin.

Wenn der Glaube die Gesundheit beeinträchtigt
Foto: Dirk Jochmann

Die 25-Jährige, die sich derzeit in den Krefelder Helios-Kliniken zur Krankenpflegerin ausbilden lässt und in dritter Generation in Deutschland lebt, ist beim Deutsch-Türkischen Gesundheitstag nicht nur mit ihrer Schwester Büsra gekommen. Dabei ist auch ihre 56-jährige Mutter. „Meine Mutter lässt schon lange ihr chronisches Rheuma ärztlich behandeln, nimmt auch regelmäßig ihre Tabletten.“

Der Gesundheitstag in den Räumen der VHS am Von-der-Leyen-Platz ist mittlerweile der vierte, den die von Mesut Akdeniz angeführte Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld durchführt. „Dazu gehören sieben Moscheen-Gemeinden und jeweils zwei Eltern- und Sportvereine“, erklärt Akdeniz. Diesmal sprechen in der türkischen Muttersprache Mediziner in der Gruppe aber auch anschließend in so manchen Einzelgesprächen unter anderem über Krebserkrankungen, über Diabetes oder über die Demenz. VHS-Leiterin Inge Röhnelt meint: „Die Sprache soll heute kein Kriterium mehr sein, wenn es darum geht, die richtige Entscheidung zu treffen.“

Als Kooperations-Partner dabei ist auch Dr. Fatih Keskin. Er ist Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie in der Klinik Könighof und schätzt, dass bis zu 18 000 Menschen mit türkischen Wurzeln in der Seidenstadt leben. Der Mediziner sagt, er habe unter seinen Patienten noch immer türkische Mitbürger, die im Glauben oder manchmal auch Aberglauben tief verwurzelt seien, vor allem bei den sunnitischen Muslimen. Eines seiner Beispiele: „Sie fühlen sich krank, schon wenn sie der Nachbar mal böse anblickt.“ Auch sei bei einigen die Pflege von Angehörigen in einem Heim unvereinbar mit ihrem Glauben und ihrer Lebenseinstellung.

„Wir sind — auch was die Sprachbarrieren angeht — auf einem guten Weg“, sagt Gülay Köse. Der 41-jährigen examinierten Krankenschwester an den Helios-Kliniken fallen spontan 30 türkisch-sprachige Pflegekräfte sowie rund ein Dutzend Fach- und Assistenzärzte ein, die dort arbeiten. „Einige Patienten bringen allerdings auch einen Dolmetscher mit“, erzählt sie.

Wenig später spricht Gülay Köse selbst über die richtige Pflege zu Hause, erklärt unter anderem die Anlegung eines Druckverbands oder wie man den kranken Angehörigen im Bett lagert. Was sie sich selbst wünscht: „Ein Altenheim für türkisch-stämmige Menschen in Krefeld. Das nächste ist in Duisburg und damit relativ weit weg.“

VHS, Mediziner und der Dachverband wollen die gute Zusammenarbeit fortsetzen. Inge Röhnelt: „Es darf keine Parallelgesellschaften geben, und zum Beispiel keine getrennten deutschen und türkischen Rückenentspannungskurse.“

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