Krefeld Weltfrauentag: „Chancengleichheit ist ein Menschenrecht“

Am Weltfrauentag werben Frauchenrechtlerinnen für Gleichberechtigung in Job und Familie.

Krefeld: Weltfrauentag: „Chancengleichheit ist ein Menschenrecht“
Foto: abi

Krefeld. Mit Anfang 20 bekommt sie ein Baby. Mit Ende 20 ist sie alleinerziehend, arbeitslos. Und ohne Ausbildung auch ohne berufliche, ohne finanzielle Perspektive. Das Schicksal der jungen Frau ist kein Einzelfall. Etwa 2500 Alleinerziehende in Krefeld waren nach aktuellen Rechnungen des Jobcenters im Februar auf Hartz IV angewiesen, 98 Prozent davon sind Frauen. „Fast jede zweite Alleinerziehende in unserer Stadt erhält Leistungen vom Jobcenter“, rechnet Claudia Brüker, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt beim Jobcenter Krefeld, vor.

Der Fall der jungen Frau, von dem Brüker erzählt, ist gleichzeitig eine Erfolgsgeschichte. Sie bekommt die Chance, eine Teilzeitausbildung im Handwerk zu machen — einer Männerdomäne. Heute steht sie kurz vor der Abschlussprüfung. Allerdings: Nicht immer nimmt das Schicksal alleinerziehender Frauen eine so glückliche Wendung. Einmal mehr wollen Claudia Brüker und Heike Hinsen, Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt, am heutigen Weltfrauentag, deshalb daran erinnern, die Rechte von Frauen zu stärken.

„Chancengleichheit ist ein Menschenrecht“, wird Hinsen nicht müde zu betonen. Wer glaubt, Gleichberechtigung sei in Deutschland längst gelebte Realität, müsse nur genauer in sein eigenes Umfeld gucken, um sich vom Gegenteil zu überzeugen: „Frauen und Männer werden im Job immer noch nicht gleich bezahlt. Gerade der Dienstleistungssektor, etwa im Bereich der Pflege, in dem viele Frauen arbeiten, ist unterbezahlt“, sagt Hinsen. Friseurin oder Einzelhandelskauffrau gehörten weiterhin zu den Top 10 der Berufe, in denen Frauen arbeiten. Brüker fordert eine „paritätische Besetzung in allen öffentlichen Gremien, in Politik, Wirtschaft und Vorständen. Frauen machen etwas mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus, deshalb sollten sie auch in allen Bereichen der Gesellschaft zu 50 Prozent wiederzufinden sein.“

Ein großes Problem sieht die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt besonders in Krefeld in der geringen Erwerbstätigkeit von Frauen. In den Statistiken aller rund 460 Agenturen für Arbeit bundesweit rangiert Krefeld bei der Frauenerwerbstätigkeitsquote unter den letzten 20. Über Gründe kann Brüker nur spekulieren: „Krefeld ist ein Industriestandort, in vielen der häufig gut bezahlten Jobs arbeiten Männer. Das Pro-Kopf-Einkommen ist relativ hoch, weshalb viele Frauen nicht arbeiten müssen und zuhause bleiben.“

Was wie eine gute Lösung klingen mag, könne gerade für junge Frauen, die aus Mangel an Ideen oder Perspektiven zur beruflichen Verwirklichung ihre Mutterrolle zum Beruf machen, zum Verhängnis werden, warnen Brüker und Hinsen. „Dieses Modell funktioniert so lange, wie die Beziehung hält“, betont Brüker. Aktuell werde jede dritte Ehe geschieden, „Krefeld ist da im bundesweiten Schnitt keine Ausnahme“, weiß Hinsen.

Als Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt wirbt Hinsen immer wieder auch dafür, „dass Beruf, Familie und Haushalt Dinge sind, die sowohl Männer als auch Frauen angehen. Es geht darum, das klassische Rollenverhältnis aufzubrechen. Dass Männer auch ihre Arbeitszeit reduzieren und in Elternzeit gehen können, ist in vielen Köpfen noch nicht angekommen.“ Dabei sei die Herausforderung für Unternehmen, den Mitarbeiter zu ersetzen immer gleich — egal, ob Mann oder Frau sich für die Elternzeit entscheiden.

Die Auswirkungen einer solchen Entscheidung seien nicht zu unterschätzen, mahnen Brüker und Hinsen: Viele Frauen kehrten nach der Elternzeit in einen Minijob oder Teilzeit zurück — Arbeitszeiten mit der Zeit aufzustocken sei oft nicht leicht. Für die Zukunft sind die beiden Frauenrechtlerinnen optimistisch: „Vor 30 Jahren hätten sie in der Stadt kaum einen Mann einen Kinderwagen schieben sehen. Heute erzählen Väter stolz davon, wie sie Windeln wechseln und den Eltern-Kind-Kurs besuchen“, sagt Hinsen. Und Büker hofft: „In 20 Jahren wird es vielleicht normal sein, dass Väter nicht nur zwei Monate, sondern ein Jahr Elternzeit nehmen.“

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