Was wollen wir uns künftig leisten?

Die Stadt will von Vereinen „ortsübliche Mieten“ kassieren

Der Aufschrei der freien Kulturszene mag auf manchen schon wie reflexhaftes Jammern wirken. Wann immer es den Künstlern und Theatermachern ans Geld geht, stellen sie ihr gesamtes Wirken in Frage. Das endgültige Aus scheint stets die nächstbeste Möglichkeit zu sein, so auch bei den jetzt angekündigten Mieterhöhungen der Stadt.

Doch für die Reaktion gibt es gute Gründe. Denn während in den städtischen Instituten die Luft immer dünner wird, ist sie vielen freien Bühnen und Kunstvereinen schon fast ausgegangen. Sie leben mit steigenden Kosten und sinkenden Zuschüssen, sie strampeln sich ab bis zur Selbstausbeutung. Zu glauben, sie könnten mal eben vier- bis fünfstellige Mieten zusätzlich aufbringen, ist schlicht illusorisch.

Dass diesmal nicht nur die „Kulturfreaks“, wie CDU-Chef Wilfrid Fabel sie einmal genannt hat, aufmucken, sollte den Verantwortlichen zu denken geben. Vom Schachclub bis zum Heimatbund, vom Sportverein bis zur Drogenschlafstelle sehen sich Krefelder Initiativen in ihrer Existenz bedroht. Wer die Pläne dennoch umsetzt, trifft also gleichzeitig die Entscheidung: All das brauchen wir nicht mehr.

Knapp 200 000 Euro soll das in die Stadtkasse bringen. Doch selbst dieses vergleichsweise kleine Plus entspringt einer Milchmädchenrechnung. Denn für die meisten Gebäude, die in der Liste auftauchen, ließe sich wohl niemals ein Interessent finden, der bereit wäre, „ortsübliche Mieten“ zu bezahlen. Dem enormen Verlust an sozialer Balance und kultureller Lebensqualität stünde nur ein minimaler monetärer Gewinn gegenüber.

Nichtsdestotrotz hat die nun entfachte Debatte einen Vorteil: Mit ihr werden Strukturen verdeckter Förderung öffentlich. Warum wer wie viel bezahlen muss, ergibt sich nämlich nicht aus der Liste, in der Nullwerte kommentarlos neben krummen Zahlen stehen. Die Recherchen in dieser Woche haben gezeigt, dass jede Vermietung ihre eigene Geschichte hat — die zum Teil Jahrzehnte zurückliegt. Mit Filz hat das in der Regel wenig zu tun — die Vereinbarungen stammen schlicht aus einer Zeit, in der Amtsträger und Bürger noch miteinander redeten, statt sich böse Briefe zu schreiben.

Wenn diese alten Verträge und mündlichen Absprachen neue Transparenz bekommen, ist dagegen nichts einzuwenden. Auch wenn die Stadt eine saubere Buchführung mit ortsüblichen Mieten wünscht, muss das nicht per se schlecht sein. Doch ein solcher Schritt will abgesichert werden. Ihm muss eine andere, folgenschwere Entscheidung vorausgehen, der die Politik sonst gern ausweicht: Was wollen wir uns künftig leisten — im Sinne einer lebenswerten Stadt?

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