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Lehrermangel Was für einen Job als Lehrer spricht

3700 Lehrer fehlen zum neuen Schuljahr in NRW. Das Land will das mit einer Kampagne ändern. Eine Gesicht der Aktion Jehan Abushihab aus Krefeld. Uns hat sie

Lehrermangel: Was für einen Job als Lehrer spricht
Foto: Dirk Jochmann (ja)

Krefeld. Das sind ernüchternde, wenn auch keine überraschenden Nachrichten, die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) wenige Tage vor Ferienende verkündet: 3700 Lehrer fehlen landesweit, wenn am Mittwoch das neue Schuljahr startet. „Schlau machen - Lehrer werden“ heißt die Kampagne, mit der das NRW-Schulministerium nun ganz gezielt junge Menschen nach dem Abitur ansprechen und für den Lehrerberuf werben will.

Jehan Abushihab ist eines der Gesichter dieser Kampagne. Die 36-jährige Krefelderin unterrichtet Wirtschaftswissenschaften und Politik an einem Düsseldorfer Berufskolleg - und brennt für ihren Job.

„Lehrer sein, das muss man wirklich wollen. Wenn es morgens um acht Uhr klingelt, dann schauen dich zwischen 25 und 30 Schüler in Konsumhaltung an. Man ist auf dem Präsentierteller, jeden Tag“, sagt Jehan Abushihab. Dann schiebt sie hinterher: „Ich bin total gerne Lehrerin, ich liebe diesen Beruf. Es ist eine sehr wertschätzende Arbeit.“

Abushihab unterrichtet vor allem Flüchtlingsklassen und Schüler mit besonderem Förderbedarf. „Diese Schüler sind so dankbar dafür, dass man sich Zeit dafür nimmt, ihnen etwas beizubringen“, erzählt sie. „Es ist großartig, mit jungen Menschen, die noch nicht lange in Deutschland leben, die Sprache zu lernen, sie auf das vorzubereiten, was sie hier erwartet, ihnen zu helfen, hier Fuß zu fassen.“

Mit ihren Schülern greift die 36-jährige Lehrerin Kollegahs Rap-Zeilen auf, um Antisemitismus und Rassismus zum Thema zu machen, organisiert gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Amnesty International regelmäßig einen Briefmarathon an ihrer Schule, in dem sich Schüler in eigenen Briefen für die Freilassung politischer Gefangener einsetzen und nimmt eigene Songs auf.

Mit ihrer Version von „We are the world“ sind Jehan Abushihabs Schüler beim Düsseldorfer Friedenspreis aufgetreten. „Jeder Schüler hat eine Liedzeile auf seiner Sprache gesungen, wir haben 20 verschiedene in einer Klasse“, erzählt sie.

Mit einer anderen ging es auf Klassenfahrt nach Barcelona. Die Vorbereitung der Reise dauerte fast ein Jahr. „Es war ein riesiger Aufwand, vor allem die Aufenthaltsgenehmigungen vieler Schüler waren ein Problem.“ Etliche Male fuhr Jehan Abushihab ins Ausländeramt. Nach der Schule, in ihrer Freizeit. Am Ende saßen alle Schüler im Flugzeug, „viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Natürlich ist es auch wichtig, dass sie binomische Formeln lernen.

Aber solche Erlebnisse bleiben ewig in Erinnerung. Das ist es wert“, sagt sie. Idealismus in einem Schulalltag, den mehr und mehr Lehrermangel, Stundenausfälle und Dokumentationszwänge bestimmen, in dem der Unterricht zur Nebensache geworden zu sein scheint?

Auch Jehan Abushihab kennt die Schattenseiten des Lehrerdaseins. „Mein Traum vom Team-Teaching ist utopisch, natürlich könnten wir besser arbeiten, wenn wir mehr Lehrer wären“, sagt sie. Fünf Jahre Studium, zwei Jahre Referendariat, drei weitere Jahre Beamter auf Probe: „Es dauert unheimlich lange, bis man Lehrer ist. Da überlegen sich natürlich viele, die so viel Zeit in ihre Ausbildung stecken, ob sie nicht lieber in die freie Wirtschaft gehen. Karriere- und Aufstiegschancen sind in der Schule einfach begrenzt.“

Sie selbst könne sich nicht vorstellen, je etwas anderes zu machen, sagt Abushihab. Als 2015 ihre Tochter zur Welt kam, verkürzte sie kurzerhand die Elternzeit. „Nach vier Monaten habe ich die Schule so vermisst, dass ich erst wieder für einen, dann für zwei Tage wieder zum Unterricht gegangen bin.“ Lehrer sein, „das ist der tollste Beruf, den ich mir vorstellen kann“, schwärmt sie. „Ich kann meinen Schülern Dinge vermitteln, die auch mir persönlich wichtig sind: Wertschätzung, Respekt, eine Schule und ein Leben ohne Rassismus. Nirgendwo sonst kann ich so viele Menschen erreichen. Wenn das nur bei einem Bruchteil der Schüler klappt, bin ich schon happy.“

Als das Schulministerium sie fragte, ob sie bei der Kampagne mitmachen und junge Menschen nach dem Abitur für ihren Beruf begeistern wolle, da habe sie nicht lange überlegt. „Jeder hat eine persönliche Erfahrung mit unserer Berufsgruppe und auch eine Meinung dazu, das ist wie beim Wetter.“ Oft werde sie gefragt: „Du bist Lehrerin? Du Arme, wie hältst du das aus?“ Oder, das andere Extrem: „Wie schön, als Lehrerin hast du ja ständig Ferien!“ Ja, ihr Beruf habe an Anerkennung verloren, „zu Unrecht“, findet Jehan Abushihab. „Ich wünsche mir, dass wieder mehr junge Leute für sich erkennen, dass es Spaß macht, Lehrer zu sein.“ Nicht, weil es ein sicherer Job sei. „Sondern, weil es so schön ist, mit jungen Menschen zu arbeiten.“

Und dann kämpft die junge Mutter mit ihrem Gesicht auf Plakaten, Fotos und Videos im Netz, auch noch für ein ganz persönliches Anliegen: „Ich finde, dass auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund sich trauen sollten, Lehrer zu werden“, sagt sie. Ihre Eltern seien in den 60er Jahren aus Palästina als Gastarbeiter nach Krefeld gekommen.

„Sie haben mich bei meinem Studium immer unterstützt. Auch ohne eine Familie mit akademischem Hintergrund kann man es schaffen!“

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