Krefeld VW-Abgasskandal: Kundin streitet mit Krefelder Autohaus

Eine illegale Software wurde überspielt. Das Autohaus spricht von einer Kommunikationspanne - der Düsseldorfer Anwalt einer Kundin von „System“.

Symbolbild

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Krefeld. Der VW-Abgasskandal hat Krefeld erreicht, Streit zwischen VW-Händlern und Kunden sind längst keine Einzelfälle mehr. Die Krefelderin Sabine Huppertz-Helmhold hat den Düsseldorfer Anwalt Prof. Dr. Marco Rogert engagiert, der sich auf Rechtsstreitigkeiten mit VW spezialisiert hat. Sie wirft dem Autohaus Borgmann vor, das Motorsteuergerät ihres VW Sharan ohne ihr Einverständnis umprogrammiert zu haben — im Rahmen der Rückrufaktion von VW Dieselmodellen. Anwalt Rogert prangert ein System an, in dem die „Stakeholder der Automobilindustrie geschützt werden, nicht der Verbraucher“.

Rogerts Kanzlei habe im Rahmen des Abgasskandals als erste überhaupt in Deutschland einen Prozess gegen einen VW-Händler gewonnen. Das war am 14. September 2016 und ausgerechnet gegen Borgmann in Krefeld. „Damals wollte das Haus einen manipulierten A1 und einen A6 vom Kunden nicht zurücknehmen. Schlussendlich mussten sie es.“ Der Helmhold-Fall liege anders, passe aber grundsätzlich in ein Muster, das Rogert erkannt haben will und das auch kein gutes Licht auf Verwaltungsgerichte, die Dekra und den TÜV werfe. VW habe seine Töchter angewiesen, sich im Einzelfalle lieber verklagen zu lassen und die Kunden solange zu bearbeiten, bis man einem Update zustimme. Zur Not aber jedem betroffenen Fahrzeug ein Update zu verpassen, das man in die Finger bekomme.

Die Sache Huppertz-Helmhold gestaltet sich nach Aussage der Kundin so: Zunächst sei der Sharan, der auf Sabine Huppertz-Helmholds Firma, die Professional Pharma Partner GmbH, zugelassen ist, bei VW Borgmann zur Reparatur abgegeben worden - wegen eines Karosserieschadens. Handschriftlich wurde auf den Formularen laut Sabine Huppertz-Helmhold ergänzt: „Bitte keine Manipulation am Motor/Abgas“ und „Aktion wird nicht gewünscht!“. Mit zwei Meistern habe sie an diesem Tag gesprochen. „Es kann da keinen Zweifel gegeben haben, was zu unterlassen war.“

Ein paar Tage später im Februar erhalten die Eheleute ein Einschreiben, in dem VW Borgmann um die Vereinbarung eines Termins bittet, um die „kostenlose Produktoptimierung“ durchzuführen. Im Klartext: ein Software-Update, das den Stickstoffoxid-Ausstoß des Fahrzeugs reduziert. Damit geht ein erhöhter Verbrauch von „AdBlue“ einher, weshalb VW seinen Kunden mit einer Gratis-Betankung des Reduktionsmittels entgegenkommt. „Wir haben auf das Einschreiben nicht reagiert und keinen Termin vereinbart“, so Ehemann Jürgen Helmhold.

Als der reparierte Sharan abgeholt wird, findet seine Gattin auf dem Beifahrersitz die Bescheinigung, dass das Motorsteuergerät umprogrammiert wurde sowie eine Stempelkarte für das fünfmalige kostenfreie Betanken von „AdBlue“. Jürgen Helmhold habe sich daraufhin telefonisch an VW Borgmann gewandt und in einer E-Mail gefordert, „die Maßnahme unverzüglich rückgängig zu machen“. Die Antwort vom Krefelder VW-Händler: Das Update sei nicht rückgängig zu machen. „Die Durchführung wurde Ihrerseits beauftragt und ausgeführt“, schreibt der Servicedienstleiter.

Norbert Steudner vom Autohaus Borgmann versteht die Aufregung nicht. Schließlich habe man ein Update durchgeführt, um illegale Software , die VW in diesen Fahrzeugen verwendet hatte, abzulösen und durch funktionierende zu verbessern. „Es handelt sich ganz offensichtlich um eine Kommunikationspanne, das tut uns leid. Der Kunde hatte mehrere Aufträge erteilt, die nacheinander abgearbeitet wurden. Dass ein Update nicht erwünscht war, konnten wir erst sehen, als wir es bereits repariert hatten.“ Und das Wiederaufspielen illegaler Software sei technisch nicht möglich. „Mittlerweile sagt auch der TÜV, dass er solche Fahrzeuge nicht mehr abnimmt.“

Für den Anwalt der Helmholds sind das Schutzbehauptungen. Dabei ist Rogert überzeugt: „Es ist weder rechtlich noch technisch möglich, ein Fahrzeug mit dieser illegalen Software in einen rechtmäßigen Zustand zu versetzen. Das zeigt ein Blick ins Gesetzbuch.“ Helmhold erklärt ein hochjuristisches Geflecht und muss zugeben, dass bislang noch kein Gericht dieser Argumentation folgen wollte. In Schleswig-Holstein befinde man sich in der zweiten Instanz.

Er wolle falls nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof gehen, weil „dort die europäische Rechtssprechung sicher mehr zählt als das Wohl der Stakeholder in Deutschland“. Weder die deutschen Gerichte, noch TÜV oder Dekra zeigten sich sehr engagiert, den Verbraucherschutz nach vorne zu stellen. Seine Kanzlei registriere wachsenden Zulauf im Falle VW. „Das Gros hat ein Update zugelassen oder bekommen und ärgert sich jetzt über einen höheren Spritverbrauch, verstopfte Rußpartikelfilter oder eine defekte Start-Stopp-Automatik.

Borgmann-Verkaufsleiter Steudner hofft jetzt trotzdem auf eine schnelle Lösung, die am Ende alle zufriedenstellt. Es gibt neue Informationen aus der Konzernzentrale. „Wir mussten wie gesagt bis vor wenigen Tagen noch davon ausgehen, dass wir die gelöschte, illegale Software nach dem Update nicht mehr wiederaufspielen können, sollte ein Kunde sich es anders überlegen. Wir haben immer wieder angefragt in der Zentrale, jetzt gibt es dafür wohl eine Lösung.“

Und ein neues Kapitel in dieser für alle Seiten ärgerlichen Geschichte.

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