Türken in Krefeld: Wir sind integriert

In Krefeld lebende Türken wehren sich gegen Pauschalurteile, geben aber auch Versäumnisse zu.

Krefeld. Zuwanderer aus der Türkei haben laut einer Studie des Berlin-Instituts große Probleme, sich in Deutschland zu integrieren. Sie täten sich damit schwerer als Angehörige anderer Nationalitäten. Defizite gibt es danach vor allem bei der Bildung (die WZ berichtete). In Krefeld ist die Situation besser - zumindest fällt die Selbsteinschätzung positiver aus. Dennoch will die Stadtverwaltung handeln.

Ayfer Patir ist das Gegenmodell zur Studie. Die 26-jährige Krefelderin, deren Großvater vor Jahrzehnten als Gastarbeiter nach Deutschland kam, spricht fließend Deutsch und studiert an der Fachhochschule Niederrhein Chemieingenieurwesen. Im Sommer steht ihre Diplomarbeit an. Die Studie schade der Integration, da sie Klischees bediene, sagt Patir. Sie bezeichnet sich als "türkischstämmige Deutsche". "Ich fühle mich in Krefeld, aber auch im türkischen Kayseri heimisch."

Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass es auch in Krefeld Türken gebe, die lieber unter sich bleiben. "Aber es gibt doch auch so viele positive Beispiele, die muss man hervorheben." Eine Folge der Studie könnte, so Patir, aber auch ein "Wachrüttel-Effekt" sein, dass jetzt noch mehr getan werden kann und muss.

Ihre älteren Landsleute seien weniger integriert, finden Senay Dogancili (30), Nurdan Erdogan (29) und Nuray Tok (32): "Weil sie manchmal auch nicht wollen."

Halide Özkurt, Vorsitzende des Ausländerbeirats der Stadt, sieht das Problem ebenfalls in der ersten Einwanderer-Generation. Als diese vor 40 Jahren gekommen sei, habe keiner daran gedacht, sie zu integrieren. Die Folgen wirkten bis heute nach: "Die Pflicht zum Erlernen der deutschen Sprache ist erst im Jahr 2000 mit dem Zuwanderungsgesetz gekommen. Das war viel zu spät."

Die Folgen dieser Fehlentwicklung schildert Ridvan Yolcu, seit über 25 Jahren für die Migrationsarbeit der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zuständig: "In einigen Gegenden wie der Ritterstraße oder der Lewerentzstraße sind die Türken unter sich." Deshalb habe ein großer Teil der ersten Generation keinen Sinn gesehen, Deutsch zu lernen.

Ante Franjicevic, Vorsitzender des städtischen Arbeitskreises für Zuwanderung und Integration, warnt vor Pauschalurteilen: "Auch andere Nationen schneiden relativ schlecht ab, darunter auch die Ex-Jugoslawen", sagt der gebürtige Bosnier. Kritisch sieht Franjicevic die Rolle der Union der türkischen und islamischen Vereine, der Dachorganisation der türkischen Vereine in Krefeld. "Die kapseln sich total von Integrationsarbeit ab. An die komme ich einfach nicht ran", sagt Franjicevic.

Halide Özkurt sieht das anders: "Natürlich ist die Union an der Integration interessiert. Ich kann mich nicht über mangelnde Unterstützung beklagen." Derzeit steht die Union vor einem Umbruch. Viele jüngere Leute, darunter auch Ayfer Patir, sind neu im Vorstand, die Kooperation mit der Stadt soll weiter ausgebaut werden.

Die Verwaltung beschäftigt sich jetzt mit dem Thema. Ende 2009 soll das kommunale Integrationskonzept mit Bestandteilen wie Bildung und Sprache vorgestellt werden. Daran arbeitet auch Martin Becker von der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien in Krefeld. 9,2Prozent der türkischen Schüler erreichten 2007 keinen Hauptschulabschluss, gibt Becker bekannt. NRW-weit waren es 10,1 Prozent. Die Studie, mit Daten von 2005, ergab deutschlandweit 30 Prozent.

Dass Krefeld besser abschneidet als viele Städte in der Studie ist für Sozialdezernent Roland Schneider der Lohn der jahrelangen Integrationsarbeit. "In den 80er-Jahren haben wir mit Maßnahmen wie dem Krefelder (Schul-)Modell der gesellschaftlichen Isolation gegengesteuert, Gremien wie beispielsweise den Ausländerbeirat eingerichtet und sozial- und kulturpolitische Akzente gesetzt." Ein gelungenes Beispiel sei das Konzept der "interkulturellen Erziehung", wofür die Stadt Krefeld vor zwei Jahren mit dem Konrad-Adenauer-Preis ausgezeichnet worden ist.

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