Totschlagsvorwurf vor Gericht nicht haltbar

Bewährungsstrafe für Hauptfeldwebel. Strafkammer: Polizeibeamte standen ihm im Weg

Krefeld. Die Wiedervereinigung ist ein Ereignis, das bis heute nachwirkt. Am Dienstag verurteilte die 2. große Strafkammer am Landgericht einen ehemaligen Soldaten der DDR-Armee zu drei Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte.

Der heute 49-Jährige hatte es in der Nationalen Volksarmee bis zum Hauptfeldwebel gebracht. Nach der Wiedervereinigung war er noch zwei Jahre in der Bundeswehr. Nach dem Militär fand er nur noch sporadisch Arbeit und siedelte 2002 mit seiner Ehefrau in den Westen über. Diese hatte Arbeit in Düsseldorf gefunden. Der Ehemann und Vater eines Sohnes fühlte sich zunehmend nutzlos. Er begann zu trinken und erkrankte an einer schweren Depression. In diesem Zustand kam es am Abend des 9. Oktobers 2008 zu einem heftigen Streit mit seiner Ehefrau. Dabei stieß er ihren Kopf gegen den Türrahmen. Sein heute 21-jähriger Sohn konnte ihn halbwegs bändigen.

Zwei herbeigerufene Polizeibeamte konnten die Situation anfangs beruhigen. Plötzlich lief der Angeklagte dann auf den Balkon der Wohnung im zwölften Stock, um sich hinunter zu stürzen. Ein Polizist stellte sich in den Weg und rangelte mit ihm etwa einen halben Meter von der Balkonbrüstung entfernt. Seine Kollegin und der Sohn brachten den Angeklagten, der sich und die Beamten mit aller Kraft in Richtung Brüstung schob, zu Boden.

Wegen der vom Gutachter attestierten Krankheit ging die Kammer nicht wie die Anklage davon aus, dass der Angeklagte den Tod der Polizisten bei seinem Suizidversuch billigend in Kauf nahm, sondern dass sie ihm bei seinem Vorhaben einfach im Weg standen. Darum kam nach Ansicht der Kammer eine Verurteilung wegen eines versuchten Totschlags nicht in Betracht. Dem Angeklagten legte das Gericht außerdem 100 Arbeitsstunden auf, um seinem Leben wieder eine Struktur zu geben. SP

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