„Tierquäler will sich an den Menschen der Region rächen“

Dr. Torsten Grüttert ist Psychiater im Krankenhaus Maria Hilf der Alexianer. Er erklärt, wie so jemand tickt und warum er die Leute verhöhnt.

Krefeld. Was ist das für ein Mensch, der Tiere quält, tötet und die Besitzer noch verhöhnt? Diese Fragen stellen sich derzeit viele Krefelder, die die Berichte über den selbsternannten Tierquäler verfolgen. Die WZ sprach über die Vorfälle mit dem Psychiater Dr. Torsten Grüttert vom Krankenhaus Maria-Hilf der Alexianer Krefeld GmbH, der auch als forensischer Gutachter tätig ist.

Wer tut so etwas?

Dr. Torsten Grüttert: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich kenne psychotische Menschen, die sich aufgrund von Schizophrenie an Tieren vergreifen, weil sie denken, dass dieses spezielle Tier ihnen etwas Böses will. In dem Falle glaube ich jedoch nicht, dass derjenige psychotisch ist, weil es so aussieht, als wenn er sich — vor allem wegen des Tatorts in Traar — an den Menschen dort beziehungsweise an der Region rächen will. Ich verstehe das vielmehr als Botschaft. In beiden Fällen hinterlässt er ein Bekennerschreiben, er duzt darin die Menschen, in dem er „euer Tierschänder“ schreibt, damit rückt er den Menschen schmerzlich noch näher, die den Verlust ihrer Tiere betrauern und Angst haben. Das ist hoch provokant. Es zeugt sehr wahrscheinlich von einer schweren dissozialen Persönlichkeitsakzentuierung. Er lebt auf diese Weise seine vermeintliche Macht aus.

Der Täter ist in beiden Fällen an den Tatort zurückgekehrt. Legt er es darauf an, gefasst zu werden?

Dr. Grüttert: Es zeugt eher von hoher Aggressivität allen Beteiligten gegenüber, er quält damit die Betroffenen, will das Grauen und das Unverständnis der Umgebung für die Tat noch steigern — daran berauscht er sich. Sensationslüsternheit ist ein ganz großer Faktor bei ihm und ein starkes Motiv. In dem er die Orte wieder aufsucht, wird es zwar wahrscheinlicher, dass er geschnappt wird. Doch er könnte auch Grandiositätsfantasien haben, dass er sich unerreichbar und berechtigt fühlt, so etwas zu tun.

Wäre auch eine Frau zu solchen Taten fähig?

Dr. Grüttert: Auszuschließen ist das nicht. Grundsätzlich sind auch Frauen zur Tierquälerei fähig. Wissenschaftliche Befragungen von straffälligen Jugendlichen (2009 in den Justizvollzugsanstalten Köln-Ossendorf und Siegburg) haben ergeben, dass die wegen Gewaltdelikten inhaftierten Jungen mit 52 Prozent hoch signifikant häufiger Tiere in der Vergangenheit gequält haben als die Mädchen mit 21 Prozent.

Fallen Tierquäler nicht schon in jüngeren Jahren auf?

Dr. Grüttert: Grundsätzlich kann man sagen, dass diejenigen, die später durch Körperverletzung, starke rechtswidrige Taten oder sogar Tötung auffallen, häufig Tierquälerei in ihrer Lebensgeschichte aufweisen. Es ist aber kein ausgestanztes Geschehen, das im Erwachsenenalter plötzlich auftaucht. Meist zeigen diejenigen im jungen Alter schon mehrere Auffälligkeiten. Sie haben Schwierigkeiten und Fehlzeiten in der Schule, geben Mitschülern häufiger etwas auf die Mütze, sind meist dem Jugendamt schon bekannt. Sie sind aggressiv und oft gefühlslos, haben nicht selten selbst schon familiär Gewalt und oftmals auch sexuellen Missbrauch erlebt. Möglicherweise kommen noch Sucht und Diebstahlsdelikte hinzu.

Könnte es sich bei dem Täter um einen jungen Menschen handeln?

Dr. Grüttert: Möglicherweise. Dazu passt ebenso das Duzen, die Wahl des Mitmachbauernhofes als ersten Tatort, dass er kleine Tiere tötet. Dass er die Menschen mit seinen Botschaften zusätzlich quält, denen er Leid zugefügt hat und sie verhöhnt, weil sie scheinbar nicht auf ihre Schutzbefohlenen aufgepasst, weil sie vertraut haben. Diese Faktoren können für eine schwere Kränkung stehen, die er vermutlich selbst durchlebt hat.

Gibt es für Tierquäler Heilungschancen?

Dr. Grüttert: Wenn man ihn kriegt und das Gericht wegen der extrem bizarren Verhaltensauffälligkeiten ein forensisches Gutachten in Auftrag gibt und dem dann auch folgt, könnte diese schwere Persönlichkeitsstörung behandelt werden. Es gibt entsprechende Therapieansätze und Einrichtungen. Die berichten auch von Erfolgen, aber nicht bei allen Tätern. Je jünger der gefasste Täter ist, umso eher kann man noch auf ihn Einfluss nehmen, weil nicht alles in seiner Persönlichkeit zementiert und verfestigt ist. Das ist aber ein schwieriges Feld.

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