Tiere sind die beste Medizin

Vierbeiner sind in den Krefelder Seniorenhäusern willkommen. Sie tun den Bewohnern gut.

Krefeld. Die Sonne scheint und es ist klirrend kalt. Die eisige Temperatur kann Gerda Oppenheim (86) nicht erschrecken. Warm in den Mantel eingehüllt sitzt sie in ihrem Rollstuhl und lässt sich durch die Eingangshalle des Seniorenheims "Landhaus Maria Schutz" nach draußen fahren. Die Seniorin hat eine große Tüte mit Wirsing- und Blumenkohl-blättern auf dem Schoß. Die sind für Flecki und Peterchen, die beiden Ziegen, die laut meckern, sobald sich die Tür zum Garten öffnet. Die Vierbeiner wissen genau, was kommt.

Neben den ewig hungrigen Ziegen leben noch zehn Hühner im Außengehege des Heims an der Maria-Sohmann-Straße. Kaninchen und Sittiche gehören drinnen zu den Bewohnern. "Wir haben vor rund fünf Jahren mit den Tieren angefangen", berichtet Horst Huber, der Leiter der Einrichtung. "So haben die Senioren immer ein Ziel, einen Anreiz, an die frische Luft zu gehen. Einige der älteren Leute haben explizit die Verantwortung für die tierisch guten Freunde übernommen. Besonders Johanna Engels kümmert sich sehr."

Immer mehr Seniorenheime lassen die vierbeinigen Freunde zu, denn sie haben durchaus therapeutische Wirkung auf die Seniorinnen und Senioren. Tiere vermitteln Wärme, Nähe, Freude und Lebensqualität. Die Berührung mit ihnen bedeutet auch Streicheleinheiten für Körper und Seele des älteren Menschen. Wenn sich Tiere in den Alltag eines Altersheims einbinden lassen, ist dies meistens eine Bereicherung für die Bewohner. Die Beziehung zu einem Haustier ist darüber hinaus unverstellt und ehrlich. "Die Tiere sind immer nett", so Huber. "Außerdem haben viele Bewohner früher selbst Vierbeiner gehalten und Freude daran gehabt." Durch das Streicheln senken sich Puls und Blutdruck, aber auch Depressionen können sich bessern.

Cäcilie Bachen hat ihre "Nelli" sogar mit ins Heim genommen. Die kleine Yorkshire-Hündin ist immer dabei. Natürlich auch beim Spaziergang in der kalten frischen Luft. "So bin ich nie alleine", sagt die Seniorin. "Es ist sehr schön, sie hier zu haben." Derweil stromert "Struppi" durch die Eingangshalle. Der elfjährige Westhighland-Terrier von Hauswirtschafterin Beate Maiullori gehört seit zehn Jahren zum "Inventar" des Hauses.

Im "Altenheim im Hansa-Haus" bekommen die Senioren regelmäßig Besuch auf vier Pfoten. Alle zwei Wochen reist Christa Gerber mit ihrem Schäferhund-Windhund-Mischling "Lucky" und Bouvier "Urmel" aus Jülich an. "Die Tiere sind als therapeutische Begleiter ausgezeichnet, es sind besonders geprüfte Therapiehunde." Der Schäferhund sei sogar ein Rettungs- oder Flächensuchhund, der beispielsweise Suizid gefährdete Personen, oder solche, die sich verlaufen haben, alleine aufspüren könne.

"Die Tiere sind sehr belastbar und werden auch bei behinderten Kindern eingesetzt. Laute Geräusche oder ruckartige Bewegungen können sie nicht erschüttern. Sie sind nicht ängstlich und haben eine hohe Reizschwelle", sagt die Hundehalterin. Jede Rasse sei als Therapiehund geeignet, es komme auf den Charakter des jeweiligen Hundes an.

Im Hansa-Haus bringen die belastbaren Vierbeiner Abwechslung und Freude ins Leben von dementen Senioren. "Wenn man deren Hände auf den Hund legt, spürt man sofort eine Reaktion auf das weiche Fell und die natürliche Wärme des Hundes, die um ein Grad höher als beim Menschen ist. Oft gebe ich ein Leckerchen auf die Hand des Patienten und der Hund nimmt es dann vorsichtig heraus. Diese Berührung schenkt den älteren Menschen ein Glücksgefühl", erzählt Gerber.

Nach einer Pause für die Hunde in der frischen Luft treffen sie auf eine mobilere Gruppe. "Eine Frau hat die Augen immer geschlossen. Wenn sie den Hund bemerkt, geht ein Lächeln über ihr Gesicht. Sie setzt sich aufrechter in ihren Rollstuhl und versucht, an den Hund heranzukommen", sagt Gerber.

"Wir haben - die Fische mitgerechnet - fast mehr Tiere als Bewohner", sagt Andreas Blinzler, Leiter vom Dreikönigenhaus, das dem Neukirchner Erziehungsverein angeschlossen ist. "Tiere zu halten, ist das Prinzip des Hauses seit rund zehn Jahren." Mit "Balu", dem Hund von Pfleger Mike Kakoschky, fing es an. "Balu" folgt ihm auf Schritt und Tritt und nimmt der Pflege den Schrecken. Blinzler: "Es ist nicht einfach, sich waschen zu lassen oder beim Toilettengang Begleitung zu haben. Der Hund lenkt auf angenehme Weise ab. Ebenso ist es bei unseren Kaninchen. Wenn die Senioren sie streicheln können, während der Pfleger tätig ist, steht nicht mehr die Pflege im Vordergrund." "Balu" ist mittlerweile der "Leiter tierischer Dienst".

Die drei Kaninchen im Außengehege haben ihre Namen per Preisausschreiben bekommen und heißen nun "Ursula", "Marianne" und "Nanni". Bewohnerin Anni Schellscheidt hat für die Vorschläge einen Blumenstrauß erhalten. "Meylo", der Berner Sennenhund einer Mitarbeiterin, besitzt sogar "Streichelhöhe" für Senioren im Rollstuhl.

Die Tiere seien jedoch nicht nur für die älteren Leute gut, sondern auch für Angehörige und Personal. Als die Mutter einer Frau gestorben ist, behielt diese die Pflege für das Aquarium bei und konnte so ihre Trauer kompensieren. Die Pfleger finden beim Gassi gehen mit den Hunden Pause und Erholung vom anstrengenden Job.

Blinzler: "Die Tiere wirken immer locker und lebendig. Sie nehmen die Angst vor dem Altenheim. Ein Hängebauchschwein steht jetzt auf unserer Wunschliste."

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