Textilforschung: Wenig Stoff für große Ideen

Im Krefelder Forschungszentrum an der Adlerstraße ist Hightech-Material entwickelt worden.

Krefeld. Wenn Polizisten künftig bei ihren Einsätzen nicht nur vor Schüssen, sondern auch vor Messerstichen geschützt sind, dann ist das auch ein Verdienst von Krefeldern. In einem Forschungsprojekt mit der Textilindustrie haben Mitarbeiter des Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West schuss- und stichfeste Westen entwickelt. "Die Ergebnisse werden gerade in die Produktion überführt", sagt der neue Leiter des Instituts an der Adlerstraße, Professor Jochen Gutmann.

In Krefeld arbeiten die Wissenschaftler daran, wie man textile Oberflächen veredeln kann. Sie entwickeln chemische, physikalische und biologische Verfahren zur Bearbeitung der Fasern, damit diese ihre außergewöhnlichen Eigenschaften entwickeln. In vier Forschungsbereichen geschieht das an der Adlerstraße.

Die schuss- und stichfesten Westen sind nur ein Beispiel für Produkte, die in Krefeld entwickelt wurden. Von Textilien, die Gerüche binden, über Enzyme, die Baumwolle aufarbeiten, bis hin zu textilen Solarzellen - nichts scheint unmöglich. Und manchmal machen die Forscher auch scheinbar Paradoxes möglich.

Beispielsweise bei der Entwicklung von Textilien, die zugleich antistatisch und wasserabweisend sind. "Das Produkt ist antistatisch, das heißt die Oberfläche bindet Wasser, ist aber gleichzeitig auch wasserabweisend", erläutert Gutmann.

Die chemischen und physikalischen Techniken zur Veredelung der Materialien sind für Laien genauso abstrakt wie faszinierend. So wie beispielsweise die Arbeit von Physiklaborant Ulrich Fehrenschild. Am Arbeitsplatz für Plasmabehandlung werden Textilfasern mit geladenen Teilchen ähnlich einem Blitz "beschossen".

Die Intensivbehandlung mit der Elektrizität löst eine Reaktion aus, die die Oberfläche der Fasern verändert. "Der physikalische Prozess macht es etwa möglich, dass verschiedene Textilien besser bedruckbar werden", erklärt Ulrich Fehrenschild.

Obwohl es sich um ein Textilforschungszentrum handelt, findet man an der Adlerstraße nicht massenweise Stoffbahnen. "Uns genügen kleine Stoffmengen. Diese reichen, um zu zeigen, dass etwas funktioniert", sagt Gutmann.

Dementsprechend arbeiten die Forscher auch in quasi unsichtbaren Bereichen. Laborantin Beate Geberts Arbeitsfeld liegt im Nanobereich. Unter dem Raster-Elektronen-Mikroskop beobachtet sie eine Gewebeprobe, die mit Glas und Silber beschichtet wurde. "Die Glaspartikel sind 200 Nanometer und die Silberpartikel 30 bis 40 Nanometer groß", sagt Gebert. "Das kann man mit bloßem Auge nicht sehen." Ein Nanometer entspricht einem millionsten Millimeter und ist etwa 70.000 Mal dünner als ein menschliches Haar.

Wozu Silber und Glas in Kleidung gut sind? "Silber ist antibakteriell, Glas hingegen hart und mechanisch beständig", erklärt Gutmann. Solche antibakteriellen und robusten Textilien werden beispielsweise für Sport- oder Militärkleidung genutzt. "Sie wären aber auch bei einem Unglück wie dem in Chile einsetzbar, wo die hygienischen Bedingungen für die Bergleute nicht die besten waren." Soll heißen: Auch wenn man sich nicht waschen kann, haben Bakterien in den Textilien keine Chance.

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