Testpublikum gesucht — und gefunden

Das Stück in der Fabrik Heeder befasst sich mit Konfliktsituationen und dem Erwachsenwerden von jungen Menschen.

Testpublikum gesucht — und gefunden
Foto: Dirk Jochmannn

Süd. Ein Experiment, so steht es im Lexikon, ist ein gewagtes Unterfangen. Genau das haben drei Männer im Kresch auf die Bühne gebracht: „Testpublikum gesucht! — ein Experiment“ feierte Premiere in der Fabrik Heeder.

René Linke, Moritz Rüge und Helmut Wenderoth (Konzept, Text, Dramaturgie) haben die Versuchsanordnung aufgestellt: Die Jugend ist das Thema dieses Theaterstücks. Deren Befindlichkeiten werden aus zahlreichen verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, mit Videos illustriert, mit Versatzstücken aus der modernen Medienwelt kombiniert, mit Musik untermalt. „Testpublikum gesucht!“ schaut genau auf die jungen Menschen und arbeitet die Konflikte heraus, die sie mit sich selbst und ihrer Umgebung haben. Das sieht man ganz am Anfang durch die Bewegung von sechs Händen.

Drei junge Mädchen in etwas zerschlissenen altmodischen Nachthemden vollführen ihre Gesten über einem gestrichelten Kreidekreis — ein Video zeigt es den Zuschauern. Dann treten die Mädchen mit Teddys nach vorne und zutzeln aus deren Bäuchen kleine runde Kissen heraus, die sie dann in ihre Ausschnitte schieben. Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein bedeutet auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Leiblichkeit und Sexualität.

In der nächsten Szene tritt dann der Moderator Michael (herrlich überzogen: Helmuth Wenderoth) auf, der für das Konzept „a.c.t.“ „action confidence together“ steht. „Das ist das neue Theater, das wir wollen“, verkündet er lautstark. Das bedeutet für das Publikum, das mit einer roten und einer grünen Pappkarten ausgestattet ist: mitmachen. „Ihr votet die Show durch“, schreibt der Moderator vor, der allerdings ständig von der Regie aus dem Off in seinem Überschwang gebremst wird.

Die Melodie zu den dann folgenden acht Runden stammt aus „Wer wird Millionär?“. Ein Wechselspiel zwischen Publikum und Moderator entsteht, bei dem Girl (Laura Thomas) und Boy (Elias Ordelmans) wie Marionetten geführt werden, wenn sie sich zum Beispiel Klamotten vom Kleiderständer suchen, denen zuerst das Publikum zustimmen muss. Wer mag was? Wer möchte was? Wer träumt wovon?

Eine Fülle von Möglichkeiten, die im nächsten Moment von einer Person aus dem Publikum in Frage gestellt wird. Denn das ist die andere Seite der Medaille: Wer will aus fast 500 Hochschulen die richtige aussuchen? Wer will bei fast 200 Lehrberufen den richtigen finden? Und wer entscheidet überhaupt, was richtig und falsch ist? Die eine sagt: „Jugend heisst träumen - ich kann doch nichts anderes.“ Und die andere: „Wer ‚ich’ sagt, lügt.“ Sehnsüchte und Empörung begegnen sich auf der Bühne - der ganze Kosmos des Lebens, der sich in der Jugendzeit so widersprüchlich zwischen Gefühl und Verstand, zwischen Todessehnsucht und Heldenverehrung entfaltet.

Sehr sehenswert.

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