Tee und Billard in der Moschee

Senioren aus der Nachbarschaft haben jetzt das Gotteshaus an der Saumstraße besucht.

Tee und Billard in der Moschee
Foto: Andreas Bischof

Die Teilnehmer der kleinen Seniorengruppe sind mehr als verwundert. Alle kennen die Saumstraße. Dass dort mit der Fatih Camii Moschee ein islamisches Gotteshaus existiert, wussten sie bisher nicht. „Daran bin ich 20 Jahre vorbei gelaufen“, sagt einer kopfschüttelnd. Jetzt hatten sie die Möglichkeit, das Gotteshaus und einige Mitglieder der Türkisch Islamischen Gemeinde kennenzulernen.

Es ist ein fröhlicher Nachmittag bei Tee und Billard — ganz ohne Berührungsängste. „Wir sind in einem gemeinsamen Projekt der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände und der Stadt unterwegs“, berichtet Sandy Schilling von der Caritas. „Wir bieten drei Themen an: Sightseeing, was den Teilnehmern im Grunde aber zu wenig ist, unbekannte Orte entdecken, etwa Spielhallen, und Gemeinschaft erleben, wozu unser heutiger Termin gehört.“

Vom einLaden im Hansazentrum geht es zu Fuß los zur Saumstraße. Teilnehmer Louis Timmermanns nimmt das Angebot wahr. „Ich bin gerne unter Leuten. Ich war vor 40 Jahren in einer Moschee in Tunesien. Hier noch nie. Ich gehe ganz vorbehaltlos hin, bin gespannt.“

Im Gotteshaus erklärt Halide Özkurt, die zweite Vorsitzende der Gemeinde, gemeinsam mit dem geistlichen Oberhaupt, Imam Yüksel Bagalan, was sie bewegt: „Wir sind jetzt 30 Jahre an der Saumstraße. Mahmut Aygun ist der Vorsitzende. Wir haben 340 Mitglieder, und es werden durch die geflüchteten Menschen immer mehr. Beim Freitagsgebet müssen viele draußen stehen. Wir platzen aus allen Nähten.“

Karfreitag werde es besonders voll sein, da die meisten nicht arbeiten müssten, ist sie überzeugt. Die Enge ist bald vorbei, die Moschee wird es in absehbarer Zeit dort nicht mehr geben. Die Gemeinde plant ein neues prächtiges Haus an der Ecke Gladbacher Straße/Deutscher Ring. „50 Meter weiter bekommen wir einen Neubau“, sagt Özkurt. Dort werde es schöner, mit mehr Raum für Aktivitäten, die Moschee werde barrierefrei. Dann wird sie politisch: „Wir sind hier, das können wir nicht wegdenken. Radikalisierung findet im Internet statt, nicht in der Moschee.“ Künftig sollen Themen, die beim Freitagsgebet angesprochen werden, auch auf Deutsch transportiert werden. „Die neue Moschee wird noch transparenter sein. Man hat Angst vor dem, was man nicht kennt. Man muss sich öffnen.“

Das sieht Besucher Kurt Beranek ähnlich: „Mich interessiert, wie die Leute hier leben, was sich alles abspielt. Beispielsweise die Unterschiede im Gebetsraum. Ich habe ein gutes Gefühl, ohne Vorbehalte. Nach diesem Besuch habe ich eine andere Einstellung.“ Für das Krefelder Image sei es gut, eine eigene große Moschee zu haben. Und weiter: „Die Menschen haben viele Vorurteile. Ich bin viel gereist. Die Gespräche beim Teetrinken waren nötig. Man ist gar nicht bewandert.“

Derweil stehen die Schuhe beim Rausgehen aus der Moschee fein geordnet und zum Reinschlüpfen passend vor der Tür. So sah es beim Hineingehen nicht aus. Özkurt erklärt: „Die Schuhe werden immer ausgezogen, weil wir Allah sauber entgegentreten möchten und es hygienischer ist. Aus dem gleichen Grund bleiben die Strümpfe immer an den Füßen. Wir beugen uns beim Gebet tief herab zum Vordermann.“ Die Nähe zum Mitmenschen beim Gebet, Schulter an Schulter, ist ein Grund dafür, warum Frauen in einem anderen Raum beten. Keine Berührung soll die Gläubigen ablenken. Dann geht es an den Billardtisch. Schnell werden zwei Gruppen gebildet mit türkischen und deutschen Mitgliedern. Es wird gelacht und gekämpft — gelebte Gemeinsamkeit.

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