Studenten entscheiden über Noten und Versetzung

Meinungen über unerfahrene Vertretungslehrer gehen in Krefeld auseinander.

Krefeld. Studenten, die an Gymnasien und Gesamtschulen als vollwertige Lehrer arbeiten — das mag für viele Eltern ein unvorstellbarer Zustand sein. Dabei handelt es sich jedoch um ein Phänomen, das längst zum Alltag an nordrhein-westfälischen Schulen gehört. Auch in Krefeld arbeiten Vertretungslehrer, die sich noch mitten im Studium befinden. Sie ersetzen reguläre Lehrer, die wegen Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit ausfallen. In solchen Fällen dürfen die Schulen befristet einen Ersatz suchen.

Dafür kommen allerdings nicht nur ausgebildete Lehrer oder Akademiker mit einem Studienabschluss infrage. Auch Studenten, die „für den Schuldienst geeignet“ sind, können einspringen. Das kann für einige Wochen sein, aber auch für ganze Schuljahre. Ob jemand die entsprechende Eignung besitzt, entscheidet zunächst der Schulleiter. Die Bezirksregierung muss dem Vorschlag zustimmen. In aller Regel geschieht das ohne größere Komplikationen.

Die Studenten nehmen einen Status als vollwertige Mitglieder des Kollegiums ein. Entsprechend gestalten sie den Unterricht, verteilen Hausaufgaben, lassen Klassenarbeiten schreiben, und sie entscheiden über Noten und Versetzungen. Sie werden überwiegend in der Unter- und Mittelstufe, aber auch im ersten Jahr der Oberstufe eingesetzt.

„Der Bedarf entsteht in der Regel plötzlich“, sagt Heinz Strohe, Leiter des Maria-Sibylla-Merian-Gymnasiums in Fischeln. Da der Lehrerberuf zunehmend von Frauen ausgeübt werde, gingen auch immer wieder Lehrerinnen mitten im Schuljahr in den Mutterschutz. Derzeit greift Strohe auf einen Studenten zurück, der Sport unterrichtet, sowie auf eine Studentin, die Biochemie-Stunden übernimmt. „Wir haben positive Erfahrungen gemacht. Eine Kontinuität wäre mir natürlich lieber, ist aber nicht realistisch.“

Auch Anneliese Aalam-Behr, stellvertretende Leiterin des Gymnasiums am Moltkeplatz, bestätigt die positiven Erfahrungen: „Das war bislang durchweg gut.“ Bis zum Sommer hatte die Schule vier Jahre Studenten als Lehrer eingesetzt, etwa für Biologie und Sozialwissenschaften. Diese seien nun weggefallen, da zum aktuellen Schuljahr neue Referendare kamen.

„Man muss natürlich sicherstellen, dass gute Arbeit geleistet wird“, sagt Harald Rosendahl, Leiter des Arndt-Gymnasiums. Er habe daher zuletzt auf einen Studenten zurückgegriffen, der an der Schule sein Abitur gemacht hatte und nun wohl als Referendar zurückkommen wird. Rosendahl: „Wir waren sehr glücklich über diese Liaison, weil wir ihn kannten und er noch richtig nah an den Schülern dran ist.“

Jochen Adrian, Leiter der Gesamtschule Kaiserplatz, betrachtet das Ganze skeptischer: „Eine ausgefallene Stunde kann besser sein als eine schlechte.“ Zwar gebe es Talente, die aus dem Stand unterrichten können, aber in der Regel seien Studenten von der Uni nicht auf diese Situation vorbereitet. Adrian: „Die Didaktik wird erst richtig im Referendariat erlernt.“

Die Maria-Montessori-Gesamtschule verzichtet auf studentische Vertretungslehrer: „Wir bemühen uns immer um Fachkräfte, weil wir Studenten nicht der Doppelbelastung aussetzen wollen, zu lernen und gleichzeitig zu lehren“, erklärt der stellvertretende Schulleiter Ulrich Reismann.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft übt Kritik am Konstrukt der studentischen Vertretungslehrer. „Wir lehnen das ab, weil die Studenten dabei verschlissen werden“, sagt Vorsitzende Dorothea Schäfer. „Man kann nicht einfach mal so eine Mathestunde geben“.

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