Wohnen in der alten Druckerei Scherpe

1922 wurde das Gebäude an der Glockenspitz 140 als Produktionsstätte gebaut — bald kann man darin wohnen.

Wohnen in der alten Druckerei Scherpe
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Die Geschichte des Wohnhauses an der Glockenspitz 140, ist eine Geschichte des Wandels: Gebaut als Weberei, war dort lange die Druckerei Scherpe ansässig — derzeit entstehen an der ehemaligen Produktionsstätte 20 Eigentumswohnungen. Die barrierefreien Loftwohnungen haben Wohnflächen von 92 bis 350 Quadratmetern. Der Quadratmeterpreis liegt knapp über 2000 Euro.

Seit 2009 gibt es von der Scherpe-Gruppe nur noch einen Teilbereich in Düren. Gegründet wurde die Druckerei vor 80 Jahren von Richard Scherpe am Bleichpfad. An die Adresse Glockenspitz 140, eine ehemalige Weberei, zog Scherpe 1937/38 um.

Nach dem Zweiten Weltkrieg druckte der im Jahr 1946 gegründete Verlag die Garnisonszeitung „Garnison Guardian“. Scherpe war auch Mitglied im Deutschen Werkbund, eine dem avantgardistischen Bauhaus nahestehende Künstlerorganisation, die auch den Druckbereich umfasste.

1952 erschien erstmals die Werkbund-Zeitschrift „werk und zeit“, verlegt von Richard Scherpe, in Krefeld. Zum Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe (Haus Lange, Haus Esters) hatte der Verleger, der auf der Wilhelmshofallee wohnte, nur eine indirekte Verbindung. Sein Sohn Richard spielte mit einem Schulkameraden oft im Garten von Haus Lange.

Ab 1949 gab Scherpe die „Greiffenhorst-Drucke“, anspruchsvolle Kunstdrucke, und eine Reihe von anderen Belletristik-Büchern heraus. 1949 gründete er in Norderstedt bei Hamburg und Friedrichshafen, später in Düren, Filialen des Krefelder Betriebes. Der Betrieb an der Glockenspitz wurde in den 60er Jahren mit einem Betonskelettbau erweitert. Die Scherpe GmbH & Co. produzierte Etiketten und Formulare (auch Spezialanfertigungen). Kunden waren unter anderem der Otto-Versand oder die DHL. Zuletzt war Richard Scherpe junior (71) geschäftsführender Gesellschafter der Scherpe-Gruppe. Er wohnt heute im Krefelder Norden.

Das Münchner Unternehmen Aurelius AG hat 2006 sämtliche Anteile an der damals 74 Jahre alten Scherpe-Gruppe übernommen. Das Unternehmen erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 14 Millionen Euro und beschäftigte über 90 Mitarbeiter. Bei der Übernahme im Jahr 2006 hatte Aurelius die Scherpe-Gruppe noch als „überdurchschnittlich profitabel“ beschrieben. Bereits drei Jahre später, 2009, wurde die Scherpe-Gruppe wieder veräußert. Käufer war ein Schweizer Finanzinvestor.

Das Unternehmen an der Glockenspitz gibt es zwar nicht mehr, aber zumindest bleibt der Industriecharakter auch in den Wohnungen erhalten. Bei der Entkernung wurden das Treppenhaus und der Flur erhalten, auch die teilweise unverputzten Wände sollen die Industrievergangenheit unterstreichen.

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