Mit dem Nachtwächter unterwegs in Linn (mit Video)

Heinz-Peter Beurskens zeigt Gästen den historischen Stadtkern und reichert den Rundgang mit Anekdoten an. So auch die Erinnerung an einen unbezahlten Diebstahl.

Krefeld-Linn. „Ich bin auf der Suche nach Nachkommen von vier Linner Familien. Es ist nicht zufällig ein Herr oder eine Frau Hilgens anwesend?“ Ausgerüstet mit Hellebarde, Laterne und Schäferumhang betritt Nachtwächter Heinz-Peter Beurskens das Café Konkurs auf der Issumer Straße.

Die an den kleinen Tischchen sitzenden Gäste werden in ihrer gemütlichen Runde gestört. Es herrscht Stille in dem mit vielen kleinen Lämpchen geschmückten Raum. „Die Vorfahren dieser Familien haben nämlich wegen Holzdiebstahl noch Schulden bei der Stadt. Mit Zinsen belaufen sie sich auf zwei Milliarden Euro.“ Beurskens muss wohl noch weiter suchen, denn keiner meldet sich, aber alle lachen.

Der Nachtwächter geht seiner Pflicht nach: Er singt sein Nachtwächterlied. Der Vorgeschmack dieser Anfangsszene macht die Gruppe neugierig auf mehr: Nachdem alle von einer rustikalen Mahlzeit gestärkt sind, begibt sich die mit Handlaternen ausgestattete Gruppe in die dämmrigen Gassen Linns. Das hell leuchtende Feuer des Nachtwächters gibt den Weg vor.

Mit seinen Schützlingen zieht der Wächter nun durch die schmalen Gassen und macht seinem Namen alle Ehre. Er fesselt nicht nur seine Zuhörer mit interessanten Geschichten, sondern sorgt auch noch ganz klassisch für Ruhe und Ordnung.

Bei der Margaretenkirche deutet er auf ein steinernes Feuer an der Wand: „Die Besucher der Kneipe gegenüber sollen daran erinnert werden, dass sie ins Fegefeuer kommen, wenn sie sündigen.“ Ein Schauer überkommt den ein oder anderen.

An ausgewählten Fachwerkhäusern bleibt der Nachtwächter stehen und durchbricht mit seiner Stimme die Abendstille. „In diesem nur etwas über zwei Meter breiten Haus wohnte ein Schuster. Das daran angrenzende große Gebäude gehörte einem Politiker. Heute ist es ja nicht anders.“

Die Gruppe lacht: „Er erzählt so lebendig, man merkt, dass es ihm Spaß macht“, sagt Ursula Schulze-Dieckhoff. Sie lässt sich bereits zum dritten Mal von dem Nachtwächter mit auf die Reise in das mittelalterliche Linn nehmen und ist völlig begeistert.

Lustige und gruselige Geschichten aus Linn bringen sie und 31 weitere Besucher während des Rundgangs durch die Altstadt zum Schmunzeln. „Es sind in den drei Jahren immer wieder neue Geschichten dazugekommen. Unglaublich, was er sich alles merken kann“, lobt Schulze-Dieckhoff den ehrenamtlichen Historiker.

„Ohne die Hilfe der Linner Bürger hätte ich über die Vergangenheit nur aus Büchern erfahren. Die sind zwar eine gute Grundlage, aber die Erfahrungen und das Wissen von alten Linnern oder Museumsleitern ist viel mehr wert“, sagt der pensionierte Fachbereichsleiter für Gesundheit und Sport an der VHS.

Aus den historischen Fakten entwickelt Beurskens dann mit eigenen Ideen spannende und kuriose Geschichten. Es hat sich einiges angesammelt: „Mein Fundus würde für viereinhalb Stunden Gesprächsstoff ausreichen. Ich mache meine Themen von den Teilnehmern abhängig. Für jede Gruppe gibt es ganz verschiedene Anekdoten.“

Nehmen zum Beispiel Lehrer an der Führung teil, erklärt er ihnen, dass das Wort „Burn-Out“ geschichtlich auf einen Linner Lehrer im 16. Jahrhundert zurück geht. Heute erklärt er, woher die Redewendung „Kannst du mir was pumpen“ herkommt und wieso Steine der Linner Stadtmauer für das Verklinkern der Häuser benutzt wurden.

Nach zwei Stunden kommt der Gruppe ein Absacker im Cafe Konkurs sehr gelegen. All das ist nicht umsonst, die Kosten pro Teilnehmer betragen 17 Euro, aber die Einnahmen des Nachtwächters gehen an das Museum Burg Linn und an die Vorkindergartengruppe „Elefantengruppe“ von St. Margareta.

„In der letzten Saison konnten über 3000 Euro dem Museum zur Verfügung gestellt werden“, freut sich Beurskens über die große Nachfrage und den Erfolg. Für dieses Jahr sind bereits alle Führungen ausgebucht, aber im nächsten Jahr geht es weiter. Interessierte können sich jederzeit im Café Konkurs melden.

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