Führung zu den Linner Frauen

Bei Spaziergängen durch die Stadt erzählt Lydia Paggen Geschichten vom Mittelalter bis zu den 60er Jahren.

Krefeld-Linn. Eine „herrsch- wie ranksüchtige“ Herrin auf Burg Linn, die erste Wagenführerin der Krefelder Straßenbahnen, eine Dame, die mit Mikrokrediten eine individuelle Wirtschaftsförderung betreibt — solche Entdeckungen in der Heimatgeschichte gibt es bei den Stadtspaziergängen durch Linn.

Lydia Paggen, die schon längst Krefelder Archive und Bibliotheken als ihr zweites Wohnzimmer bezeichnet, ist wieder auf Forschungstour gegangen und beschreibt dabei spannende Facetten der Linner Geschichte. Sieben Besucher haben am Stadtrundgang aus dem Programm der Volkshochschule „Die Frauen in Linn“ teilgenommen.

Zunächst sind es einmal die Witwen der Herren von Linn, die in der nur spärlich über Frauen berichtenden Geschichtsschreibung auftauchen. Margarethe und ihre Schwiegertochter Mechthild nutzen die Wasserburg jeweils als Witwensitz. Die erste lebt ruhig und unauffällig auf der Burg, bis sie 1318 in das Kloster Bedburg umzieht.

Doch die „herrsch- wie ranksüchtige“ Schwiegertochter, die als Witwe den Männern sehr ergeben gewesen sein soll, sorgte für ein abwechslungsreiches Burgleben — auch indem sie die Künste pflegte.

Im frühen 19. Jahrhundert, als die Wasserburg längst zur Ruine verkommen ist, wächst im Jagdschloss ein Mädchen auf, das viel zur Linner — und Krefelder — Geschichte beitragen wird. Es ist Marianne de Greiff, die 1835 den Kölner Weinhändler Christoph Rhodius heiraten wird. Nach fünfzehn Jahren Ehe trennen sich ihre Wege und Marianne nimmt das Jagdschloss als ihren Sommerwohnsitz, während sie in den kalten Monaten das Stadthaus Friedrichstraße 18 bevorzugt. Paggen bezeichnet die belesene Frau auch als „Herrin der Mikrokredite“, denn sie konnte wohl kaum einem Bittsteller etwas ausschlagen. Auf die Rückzahlung ihrer Kredite achtete sie jedoch genau. Erst in ihrem Testament verfügte sie, dass Summen unter 3000 Mark nicht zurückzuzahlen waren.

Außerdem stellt Paggen während des Rundgangs Maria Sophia Clara von Pfeffer, eine geborene Raitz von Frentz, vor — als Beispiel für eine für ihre Zeit sehr aufgeschlossene Krefelderin. Im Ersten Weltkrieg, als die Männer an der Front kämpften, wurde sie nicht nur Wagenführerin der Krefelder Straßenbahnen, sondern auch die erste Lokomotivführerin Deutschlands.

Zum Ende der Stadtführung wird noch deutlich, wie sehr Wissenschaftlerinnen im 20. Jahrhundert das Museumsleben in Linn prägten. Die Damen des Deutschen Textilmuseums werden genannt, aber auch die erste weibliche Leiterin des Museumszentrums Burg Linn, Renate Pirling.

An ihre archäologische Sternstunde erinnern die Banner vor dem Museumseingang, denn ihr glückte 1962 der Fund des Fürstengrabs mit dem berühmt gewordenen goldenen Helm. Der Helm ist heute das Logo des Museums.

Wie wenig manche aber noch in jener Zeit für eine Frau auf diesem Posten aufgeschlossen waren, schildert Paggen. Die Rheinische Post befürchtete 1961 zum Arbeitsantritt von Pirling den „Untergang des Abendlands“. Die Gründe: Die Bewerberin war weiblich, unter 30 Jahre alt und kam dazu noch aus Süddeutschland. Daran kann sich der Linner Stadtführer Karlhermann Horster selber noch gut erinnern, auch seine Kollegin Erika Meyer schmunzelt. Die beiden haben manches Neue erfahren — teilweise werden sie es bei ihren Führungen einbauen.

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