Hier wird noch selbst gebacken: Martin Bonnen - Rezepte, die vor über 100 Jahren entstanden

Noch heute schreibt Bäcker Martin Bonnen neue Kreationen in das Buch, das er von seinem Urgroßonkel geerbt hat.

Krefeld. Eigentlich kann Martin Bonnen alle seine Rezepte auswendig. Doch ab und zu öffnet er in seiner Backstube eine Holzschublade und nimmt das alte Buch seines Urgroßonkels zur Hand. Fein säuberlich sind darin alle Rezepte der Traditionsbäckerei festgehalten. Die vielen Jahre, in denen das Buch durch die Hände der Bäckermeister und Gesellen gegangen ist, sind ihm anzusehen — einige Seiten haben sich gelöst, der Rücken sitzt nicht richtig fest.

1897 hatte der Onkel eine Bäckerei an der Weberstraße. Von ihm stammen die ersten, mit Tinte geschriebenen Einträge. Im Krieg brannte die Bäckerei aus. Das Buch konnte nur knapp gerettet werden. 1958 hat Heinrich Bonnen die nächste Bäckerei der Familie eröffnet und das Buch geerbt. Seitdem liegt es in der Backstube an der Kölner Straße. Sohn Martin ist seit 2001 Herr der Backstube — und damit auch Besitzer des Rezeptbuches.

Mittlerweile führt der 48-Jährige das Geschäft gemeinsam mit seiner Frau Birgit und den neun Angestellten. Seine Brote haben schon jede Menge Preise gewonnen, für die vielen Urkunden ist gar nicht genug Platz an den Wänden. Jeden Tag wird der Sauerteig für die Laibe frisch angesetzt — alles in Handarbeit. Lediglich ein Mixer hilft beim Untermengen, danach geht es per Hand weiter. „Eine Brot- oder Brötchenstraße haben wir nicht. Hier wird noch per Hand geformt“, sagt der Bäckermeister.

Doch Handarbeit braucht Zeit. Schon am Vorabend wird alles für die Nacht vorbereitet. Zutaten werden abgewogen und die Körbchen, in denen die Brote schließlich gebacken werden, bereit gestellt. Um ein Uhr nachts geht es dann in der Backstube rund. Bis 6.30 Uhr muss alles fertig sein, dann beginnt der Verkauf. Am späten Vormittag haben Bonnen, Geselle Christian Wenzel und das restliche Backteam Feierabend.

Solche Arbeitszeiten dulden ein Familienleben nur, wenn alle an einem Strang ziehen, sagt Bonnen: „Es funktioniert nur, weil wir Wohnung und Arbeitsplatz in einem Haus haben. Dadurch sind die Wege sehr kurz.“ Besonders, als die Kinder noch klein waren, musste auf diese Art kein gemeinsames Mittagessen ausfallen.

Zweimal pro Jahr sind Betriebsferien: „Die brauchen wir zur Erholung, weil wir so ausgebrannt sind.“

Heute sind die Kinder erwachsen. Die Söhne studieren, Tochter Jasmin jobbt bis zum Beginn ihres Zahnmedizin-Studiums in der Backstube. Backen können alle drei. „Sie sind hier groß geworden. Genau wie ich. Als Kind habe ich den Geruch von Sauerteig geliebt, mit 15 habe ich dann eine Ausbildung angefangen.“ Ein anderer Beruf als der des Bäckers kam für Bonnen nie in Frage. Für seine Kinder hat er sich trotzdem etwas anderes gewünscht: „Sie sollen erst studieren. Wer dann trotzdem einmal den Betrieb übernehmen möchte, kann das gerne machen. Aber es hat ja keinen Zweck, wenn man davon irgendwann nicht mehr leben kann, weil Nebenkosten und Steuern so hoch sind“, sagt er.

Nach getaner Arbeit experimentiert Bonnen manchmal an neuen Rezepten. Die werden dann im Buch des Urgroßonkels festgehalten. Und auch, wenn seine Kinder bisher andere Wege eingeschlagen haben, bleibt das Buch vielleicht trotzdem in der Familie. Denn Christian Wenzel ist nicht nur der Geselle bei den Bonnens, sondern auch Jasmins Freund.

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