Die Gruppe als Auffangnetz

Robert Wesche hilft Abhängigen von Alkohol und Medikamenten, mit ihrer Sucht zu leben.

Krefeld. Die Krefelder Selbsthilfegruppe für Alkohol- und Medikamentenprobleme nennt sich "Quelle der Hoffnung". Ein überaus passender Name, denn die bis zu 40 Teilnehmer kommen mit schöner Regelmäßigkeit jeden Montag zur Selbsthilfegruppe, viele schon seit langen Jahren. Treffpunkt sind die Räume der Evangelischen Gemeinde an der Alten Kirche.

Robert Wesche begrüßt zunächst die Teilnehmer in großer Runde und informiert über Neues. Dann teilen sie sich in drei Gruppen mit je einem Gruppenleiter in verschiedene Räume auf. "Man braucht einen kleineren intimen Kreis, um vernünftig arbeiten zu können", erläutert Wesche, der von fünf weiteren ehrenamtlichen Mitarbeitern unterstützt wird.

Wesche hat selbst eine "Alkoholkarriere" hinter sich. Als 15-Jähriger habe er erstmals mit Alkohol Erfahrung gemacht. Dann sei der Konsum immer mehr geworden, weil man damals unter Jugendlichen auf dem Land zum Ausgehen nur die Kneipe kannte. "Bei der Lehre auf dem Bau, wo früher viel getrunken wurde, habe ich den Rest bekommen", berichtet er.

Den tiefsten Punkt habe er 1985 erreicht: "keine Familie, keine Arbeit, kein Auto, keinen Führerschein, keine Freunde". "Ich war ein psychisches Wrack und niemand wollte mehr mit mir zu tun haben", gesteht er. Allein die Angst vor der Obdachlosenbank habe ihn über das Gesundheitsamt in eine Langzeittherapie getrieben.

Nach und nach habe er wieder Selbstwertgefühl entwickelt. Aus Dankbarkeit habe er sich dann der ehrenamtlichen Tätigkeit verschrieben. "Ich wollte auch etwas zurückgeben und anderen mit meiner Erfahrung helfen." Dabei sieht er seine eigene Abhängigkeit "wie einen Spiegel" vor sich, der ihm auch selbst zur Abschreckung dient. Ende März hat ihm Oberbürgermeister Kathstede das vom Bundespräsidenten verliehene Bundesverdienstkreuz für seine ehrenamtliche Tätigkeit überreicht. Die übt er auch bei Informationsveranstaltungen in Schulen aus. "Insgesamt sind sicher schon einige 1000 Stunden zusammengekommen", sagt er.

Für einige Teilnehmer ist die Gruppe sogar zur zweiten Familie geworden. "Ohne Gruppe hätte ich es nicht geschafft, trocken zu werden", gesteht eine Alkoholabhängige. "Die Gruppe ist mein Leben." Man erhalte Anerkennung und Verständnis, könne offen über die eigenen Probleme reden, ohne dass das Vertrauen missbraucht würde, so die Kommentare von Abhängigen. Die Teilnehmer tauschen sich aus über ihre alltäglichen Sorgen zu Themen wie Umzug, Renovierung, Urlaub und Geld. Beklagt wird vor allem ein oft großes Misstrauen von Familienangehörigen, das aus Angst vor einem Rückfall in die Sucht resultiere.

Familienangehörige sind ebenfalls unter den Teilnehmern, allerdings ohne die Betroffenen selbst. Eine Ehefrau berichtet, sie wolle Verständnis für das Verhalten ihres Mannes lernen und mit den eigenen Schuldgefühlen besser umgehen können. Eine zweite sagt, sie wolle ihrem Partner Hilfestellung geben und den richtigen Umgang mit einem Suchtabhängigen lernen. Der Rat von Wesche kann schon einmal heftig ausfallen: "Die Kotze liegen und selbst entfernen lassen."

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