Kleingärtnerverein: Ein Stück Heimat im Weyerhof

Der Kleingärtnerverein wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. Viele haben dort dauerhaft ein Zuhause gefunden.

Krefeld-Inrath. Im Garten zu sitzen, einzig, um den Blumen beim Blühen zuzuschauen, kommt für Werner Brüggen nicht in Frage. Der Vorsitzende des Kleingärtnervereins Weyerhof im Weyergarten hat seine Prinzipien, was das eigene Stück Grün angeht: „Zwei Drittel sind Ziergarten, der Rest Nutzgarten“, erklärt er und zählt auf: „Kartoffeln, Bohnen, Kohlrabi, Salat und Gurken — das habe ich alles angebaut.“ Verpflichtet dazu ist er nicht. Da die Gärtner das Grundstück von der Erbengemeinschaft Weyer privat gepachtet haben, legen sie die Regeln nicht so streng aus wie andere Vereine.

Dennoch freut sich Brüggen über jedes Mitglied, dass sich nicht damit zufriedengibt, im Garten die Füße hochzulegen. „Es ist erst kurze Zeit her, da hat mich eine junge Frau gefragt, ob sie den Rasen eines Gartens, der den Besitzer wechseln soll, auch zum Gemüsebeet machen kann.“

Werner Brüggen ist begeistert vom Engagement des Nachwuchses. Immerhin 100 Jahre wird der Kleingartenverein in diesem Jahr alt — und soll, geht es nach den Kleingärtnern, auch die nächsten 100 Jahre überdauern. Denn der Kleingartenverein ist nicht nur einer der größten und ältesten im Stadtteil, wie die Mitglieder gerne betonen. Die Gärten sind auch mehr als Ausflugsziel am Wochenende. Viele haben dort ein kleines Stück Heimat gefunden.

Der Verein gründete sich 1912, damals verpachtete die Familie des Bauernhofs Weyerhof einzelne Grundstücke. „Den Hof gibt es heute nicht mehr. Er wurde im Bombenkrieg 1943 komplett zerstört“, erzählt Schriftführer Wolfgang Johann Kruse.

Er kennt die Geschichte der Gartenanlage aus dem Effeff. Zum 100-jährigen Bestehen des Vereins hat er eine 34-seitige Chronik zum Thema verfasst. Und er wurde sogar in einem der Häuser im Kleingarten geboren. „Meine Mutter hat 1943 ihr Zuhause bei einem Bombenangriff verloren. Daraufhin ist sie in eins der Häuser im Kleingarten gezogen. Dort kam ich dann 1946 zur Welt“, erzählt Kruse. Für viele sei das Gartengelände damals ein Ort der Zuflucht gewesen. „In Kriegs- und Nachkriegszeiten sicherten die bestellten Gärten das Überleben.“

Für seine liebevoll und aufwändig gestaltete Chronik hat Kruse vier Monate gebraucht. „Das war eine ganz schöne Bastelei aus all den alten Schmalfilmen, Dias und Fotos die schönsten rauszusuchen und anzuordnen“, sagt Kruse. „Aber ich mache es ja gern.“ Mindestens so gerne, wie er im Weyergarten lebt. „Man ist sich hier so vertraut, das hat schon etwas Familiäres“, erklärt er. Das ist wörtlich zu nehmen. „Ich habe hier meine Frau kennengelernt und meine Kinder sind wie ich hier aufgewachsen“, erklärt Kruse. „Meine Tochter wohnt sogar immer noch hier, ein paar Gärten weiter. Mittlerweile mit ihrer eigenen Familie.“

Heute sind ungefähr ein Drittel der 105 Parzellen dauerhaft bewohnt, ein Zugeständnis an jene, die während des Krieges im Garten Zuflucht suchten.

Da es sich beim Weyergarten um eine private Gartenanlage handelt, müssen die Vereinsmitglieder sich selbst organisieren, um das fast fünf Hektar große Gelände in Schuss zu halten. So muss jedes Mitglied sechs Stunden im Jahr mit anpacken, etwa bei der Parkplatzpflege. Das Herz der Anlage ist die öffentliche Gastronomie, das Gasthaus im Weyergarten. Da es direkt an dem Radwanderweg, der durch das Gelände führt, gelegen ist, können auch Ausflügler hier eine Pause einlegen.

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