Besichtigung Traglufthalle in Hüls: "Wie soll das Leben hier aussehen?"

Am Dienstagabend wurde die Traglufthalle am Reepenweg erstmalig für Interessierte geöffnet. Viele Hülser schauten hin.

Krefeld. Draußen vor der Halle steht eine lange Schlange Neugieriger. Neugierig darauf, was in weniger als 48 Stunden das Zuhause auf Zeit für 150 Flüchtlinge werden soll. Der Schlange nach ist noch kein Einlass, dabei ist es schon kurz nach fünf. Dann wird klar: Es staut sich lediglich. Die Halle kann nur durch eine Drehtür betreten werden. Und durch diese passt immer nur eine Person.

Drinnen ist es plötzlich Nacht. Die zarte Abenddämmerung von draußen hat in den fensterlosen Großraum keinen Einlass. Eine Anlage pustet eifrig Luft in die dicken Luftröhren und macht dabei beständig Geräusche. Die Besucher dürfen nur bis zu einer Absperrung in die Halle hinein.

Zu sehen: zahlreiche zweistöckige Betten, alle noch dicht zusammengedrängt, auf beiden Seiten der Halle. In der Mitte stehen die hohen, schmalen Spinde. Die werden in Zukunft die einzigen Trennwände sein, die es hier gibt.

Der Blick geht nach oben, die neon-beleuchtete Decke erscheint in kaltem Licht und wirkt sehr weit weg. Auf dem Boden ist es nass und schmutzig von den Schuhen der Arbeiter und Besucher.

„Ab Donnerstag werden die ersten Flüchtlinge hier leben“, verkündet Sozialamtsleiter Wolfram Gottschalk von einer Klappleiter aus der ihn umringenden Menge. Ab der darauffolgenden Woche werden es dann bis zu 150 Menschen in der Traglufthalle werden. „Ein Drittel von ihnen werden Kinder sein, etwa 25 Prozent alleinreisende Männer.“ Da geht ein leises Raunen durch die aufmerksame Zuhörerschaft.

Die Frage, die buchstäblich im Raum steht, ist die, wie dieses „Leben“ hier tatsächlich aussehen soll. Noch sieht alles eher nach der Lagerhalle eines Baumarktes aus. Und auch, falls alles rechtzeitig fertig wird — im Sanitär-Container und im Doppelcontainer für die Essensausgabe wird noch geschraubt, gebaut und gehämmert: Wie leben Menschen hier?

„Nicht mal Vieh würde ich hier reinsperren! Finden Sie nicht, dass das menschenunwürdig ist?“, ruft einer der Umstehenden in Richtung Leiter. Wolfram Gottschalk verneint und bittet um Alternativvorschläge. Wenig später hat sich der Fragesteller, der Thomas Kovacevic heißt, wieder etwas beruhigt. „Ich verstehe ja die Lage, Deutschland ist ein Einwanderungsland. Aber das hier ist einfach keine anständige Bleibe.“

Gottschalk betont, dass er selbst eine dezentrale Unterbringung befürworte. Aber das sei angesichts der Zahlen nicht zu bewerkstelligen.

Dann kommt aus dem Publikum die unvermeidliche Frage nach der Sicherheit. „Es werden immer zwei von uns hier sein, nachts wohl auch drei. Und auch die Polizei wird hier verstärkt Präsenz zeigen“, versichert Gottschalk.

Das ist Paul Schumacher gar nicht so wichtig. Er steht mit zwei Freunden etwas abseits, auf dem Kopf eine Kappe mit Hüls-Logo. „Ach, da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Es gibt immer Gute und Böse. Aber wenn ich das hier so sehe, kann ich mir das Leben hier nicht vorstellen.“ Zwei bis drei Monate soll ein Flüchtling hier bleiben. Danach geht es, laut Plan, in eine dauerhafte Unterbringung.

Auch der 14-jährigen Rebekka Schiffers ist etwas mulmig bei der Vorstellung, hier auf engstem Raum mit ihrem Bruder, den Eltern und lauter Wildfremden leben zu müssen. „Da würde ich durchdrehen. Bei uns in der Turnhalle sind 185 Flüchtlinge untergebracht. Wenn da mal die Polizei kommt, kann ich das nur verstehen.“ Sie geht auf das Ricarda-Huch-Gymnasium.

Christa von Danwitz, Sprecherin der Koordinationsgruppe Hüls, ist zuversichtlich: Bei Flüchtlingskoordinator Rehbein und ihr selbst haben sich schon mehr als 80 Freiwillige gemeldet, die bei der Freizeitgestaltung helfen möchten.

Draußen ist es mittlerweile dunkel. Der Blick in die zukünftige Essensausgabe wirft die Frage auf, wie ein voller Teller mit Essen unbeschadet durch das Gedränge an der Drehtür gelangen soll. Einer der Arbeiter hat die Antwort: „Es muss ja irgendwie gehen.“

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