SPÜRHUNDE Mit Nius Nase auf Vermisstensuche

Sebastian Schwerdt gehört mit seiner Hündin zu den nur zwölf Teams in NRW, die in solchen Notfällen eingesetzt werden. Als Trainer bringt er anderen das Mantrailing bei.

Krefeld. Niu hält die Nase kurz in den Wind und läuft auch schon in vollem Tempo los. Schwanzwedelnd. Lange braucht die sechs Jahre alte Hündin nicht. Schon hat sie die Vermisste gefunden. Eine Frau liegt mitten auf dem Feld. Hilflos. Fast. Denn irgendwo aus ihrer Winterjacke holt Renate Leijnse eine Tube heraus. Die hat ihr Nius Herrchen vor der Übung extra zugesteckt. Denn Belohnung muss sein. Und das Tier schlabbert begeistert eine Portion Leberwurst-Paste weg.

SPÜRHUNDE: Mit Nius Nase auf Vermisstensuche
Foto: Dirk Jochmann

Zwei- bis viermal in der Woche trainiert der Fischelner Sebastian Schwerdt mit seiner Bluthündin. „Personensuche“ steht auf seiner Weste. Gemeinsam mit Niu bildet er eines von nur zwölf Mantrailer-Teams in NRW, die von der Landesleitstelle der Polizei zugelassen sind.

Mantrailer, das Wort setzt sich aus den englischen Worten für „Mensch“ und „verfolgen“ zusammen. Kurz gesagt ist Mantrailing die Personensuche mit Hilfe von Hunden. „Bei unseren Einsätzen für die Landespolizei geht es darum, Vermisste zu finden. Das sind zum Beispiel Menschen mit Demenz, Kinder oder Suizidgefährdete“, berichtet Schwerdt, der im August 2016 die dafür nötige Prüfung bei der Landesleitstelle gemacht hat.

Über Details darf er nicht sprechen. Nur so viel, dass es so viele Anrufe in der Woche sind, „dass man sich das unter den Teams aufteilen muss“. Wenn der Notfall eintritt, folgen Mantrailer wie Niu der Geruchsspur eines Menschen mit ihrer empfindlichen Nase. Das unterscheidet diese Einsätze von solchen, bei denen mehrere Polizeihunde beispielsweise einen Wald oder eine Fläche absuchen. „Die zeigen mit Gebell jeden Menschen an, den sie finden“, erklärt Schwerdt.

Niu hingegen ist darauf trainiert, den vielen Partikeln wie Hautschuppen und ähnlichem eines einzelnen Gesuchten zwischen all den tausend Gerüchen anderer Menschen auch in einer belebten Innenstadt zu folgen. Gleichzeitig wird die Spur durch Temperatur, Regen, Wind, Luftdruck und vieles mehr beeinflusst. Auf ihrem Weg darf sich die Hündin von nichts ablenken und abschrecken lassen, muss unter anderem ohne Angst durch Tunnel oder über Gitter laufen. Gleichzeitig muss sie einerseits gehorsam und andererseits eigensinnig sein. „Gehorsam ist wichtig, aber die Hunde müssen eigenständig arbeiten. Sie laufen vor und müssen den Dickkopf haben, ihren Weg zu gehen“, so Schwerdt.

Für den menschlichen Partner geht es beim Mantrailing darum, die Körpersprache des Hundes zu verstehen. „Weil er damit ausdrückt, ob er sicher oder unsicher ist, ob er die Spur verloren hat. Dann ist der Hundeführer dafür da, bei der Lösung zu helfen.“

So wie im Fall von Renate Leijnse. Eben hatte sie noch ein Stück Küchenkrepp an ihrem Hals entlang gewischt und es als Schnüffelprobe für Niu in den Beutel mit ihrem Namen eingetütet, um danach beim Training — weit entfernt — die am Boden liegende Vermisste zu spielen. Jetzt hat sie ihren eigenen Hund Boogy an der Leine. Der darf nun an einer anderen Tüte mit Duftträger riechen. „Go“, gibt Leijnse das Startkommando.

Boogy und Frauchen üben mit Unterstützung von Sebastian Schwerdt, der sich vor zehn Jahren als Hundetrainer, als Verhaltensberater und -therapeut selbstständig gemacht hat, das Mantrailing. Nicht für den Profi-Einsatz, sondern als Hobby. Der Vorteil dieses Hundetrainings: „Man kann es überall machen, braucht keine spezielle Umgebung, also keinen festen Trainingsplatz“, betont der Experte. „Durch die Teamgeschichte wächst man zusammen, lernt den Hund sehr gut kennen und bekommt eine total andere Beziehung“, freut sich Boogys Frauchen. Die Neusserin, die früher auch Hunde züchtete, hat schon mit Boogys Mutter Cimberley auf Hundeplätzen trainiert, Begleithunde- und Fährtenprüfung gemacht. Boogy war eigentlich der Hund ihres Mannes. Als ihr Gatte starb, überlegte sie, den Vierbeiner abzugeben. Nun ist sie froh, dass sie es nicht getan hat. Durch das Training sei das Tier wie ausgewechselt.

Für ihren Hund ist das Riechen und Abarbeiten der Informationen eine auspowernde Beschäftigung. „Danach schläft er immer lang“, sagt Frauchen lachend, „man merkt richtig, dass er, wenn wir eine Zeit lang nichts machen, nur Blödsinn im Kopf hat.“ Und für sich selbst findet Renate Leijnse, dass dieser Hundesport „richtig süchtig macht“.

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