Der Streitschlichter am Gartenzaun

Karl Reichenberg ist seit 28 Jahren Schiedsmann. Dabei ist dem 75-Jährigen schon so manch skurriler Fall untergekommen.

Krefeld-Fischeln. Wenn Sommer ist in Fischeln, und die Abende lau sind, dann schmeißt Familie Mustermann den Grill an - gerne auch täglich. Holzkohlegestank und schwarzer Rauch ziehen über die angrenzenden Gärten hinweg. Und wenn Nachbars Schlafzimmer wie ein Steakhaus riecht, dann kann es in der Einfamilien-Reihenhausidylle schon mal zum handfesten Streit kommen. Oft treffen sich die verfeindeten Parteien dann bei Schiedsmann Klaus Reichenberg wieder.

Seit 28 Jahren ist Reichenberg ehrenamtlicher Streitschlichter, 400 Fälle hat er bearbeitet. Immer für eine Amtszeit von fünf Jahren wird der Schiedsmann vom Rat gewählt. "Ich wurde damals für das Amt vorgeschlagen und habe dann eine Ausbildung beim Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen gemacht", sagt der 75-Jährige.

Sowohl mit zivilrechtlichen als auch mit strafrechtlichen Streitigkeiten musste sich Reichenberg auseinandersetzen. Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Körperverletzung und über Bäume, die zu nah an der Grundstücksgrenze stehen, wurde im heimischen Büro verhandelt. "Einmal hatte ich zwei Männer, die sich in der Öffentlichkeit um eine Frau geprügelt haben. Der Clou: Alle drei waren weit über 70 Jahre alt", erzählt der Schiedsmann.

Fingerspitzengefühl muss Klaus Reichenberg bei jedem Fall aufs neue beweisen, ruhig und objektiv muss er bleiben. "Ich darf mich nicht zu viel einmischen. Mein Ziel ist es, dass die Parteien einen Vergleich schließen", erklärt der dreifache Vater. Und das klappt bei 50 Prozent seiner Fälle, schnell und unbürokratisch. Bei Gericht dauert sowas manchmal Jahre. Darum ist der Besuch beim Schiedsamt in vielen Streitfällen sogar Pflicht.

Mit einem Vergleichsprotokoll gehen die Parteien dann nach Hause. Ähnlich wie ein Urteil vom Gericht, hat es natürlich für die Streithähne Konsequenzen, wenn sie ihren Teil der Vereinbarung nicht erfüllen.

Natürlich habe er auch uneinsichtige Zeitgenossen in seinem Büro begrüßen dürfen. "Die kommen dann wie ein stummer Fisch rein und grüßen sich nicht einmal", berichtet er. Viele meinen auch, sie würden vor Gericht eher zu ihrem Recht kommen. Bei den anderen reicht manchmal ein einfaches Gespräch. "Die Parteien meinen immer, sie könnten nicht miteinander reden, der andere würde eh’ nicht zuhören und das Problem nicht verstehen." Wenn sie dann bei Reichenberg sitzen, wundern sie sich, wie angenehm der Frieden sein kann.

Dienststellenleiter bei der Post ist Reichenberg gewesen. Da musste er sich schon um die Probleme seiner Mitarbeiter kümmern. Doch was ihm im Laufe seiner Amtszeit als Schiedsmann so untergekommen ist, lässt ihn manchmal schmunzeln. Zum Beispiel die Nachbarn, die jeder ein 2000 Quadratmeter großes Grundstücke hatten und um einen Zaun stritten, der zehn Zentimeter zu weit auf der anderen Seite stand. "Die sind vor Gericht gelandet. Da konnte ich nicht vermitteln", sagt Reichenberg.

Die Probleme lägen oft viel tiefer, manchmal seien sich die Eltern schon nicht grün gewesen, berichtet der Schiedsmann. Dann lässt ein gemütlicher Grillabend die Sache schnell eskalieren. Teilweise sei es auch Langeweile, hat Reichenberg beobachtet: "Dann wird sich im Suff in der Kneipe beschimpft. Hier reichen sich beide die Hände, und dann geht es wieder in die Kneipe."

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