Spielsucht: Der Gewinn ist nie groß genug

Spieler setzen alles auf eine Karte, eine Zahl oder ein Symbol. Dabei verspielen sie oftmals ihren Job, ihr Haus und ihre Familie.

Krefeld. Wer träumt im Leben nicht davon, einmal zu gewinnen: die Weltreise, das Traumhaus oder die Millionen? Viele Menschen jedenfalls tun das - und spielen Lotto, wetten oder nehmen an Gewinnspielen teil. Die Zahl der Angebote hat sich in den vergangenen zehn Jahren vervielfacht. "Der besondere Reiz liegt darin, mit einem minimalen Einsatz bei einem mittleren Risiko einen hohen Gewinn zu erzielen", beschreibt Dr. Helmut Schönell von der Klinik Königshof ein menschliches Verlangen. Kritisch werde es jedoch, wenn aus dem Spiel eine Sucht wird.

"Spieler wollen gewinnen. Sie träumen von nichts anderem. Aber der Gewinn ist ihnen nie groß genug, als dass sie nicht noch einen größeren erträumen könnten", berichtet der Psychiater aus der Praxis. Dafür setze der Spieler alles auf eine Karte, auf eine Ziffer, auf ein Symbol. Nichts sei so typisch am Spielen wie der ständige Traum vom Siegen, während die Realität, das ständige Verlieren, geleugnet werde.

"Erst seit etwa 20 Jahren ist die Spielsucht ein Thema in der Suchthilfe", berichtet der Chefarzt. Der Geldspielmarkt in Deutschland sei seit den 70er-Jahren unter anderem durch eine Flut von Spielhallen und Spielbanken explosionsartig gewachsen. Seitdem Ende der 90er-Jahre auch noch die Sportwetten gesetzlich erlaubt worden sind, ist die Wettsucht ein ernstzunehmendes Thema geworden. Vor deren Gefahren - wie auch beim Zigaretten-Konsum - per Aufdruck gewarnt wird.

Für manch einen hat das riesige Angebot fatale Folgen: Auf 100 000 schätzt die Hauptstelle gegen die Suchtgefahren in Hamm die Zahl der Spielsüchtigen in Deutschland. Die Dunkelziffer ist groß. Süchtige Spieler stammen aus allen Schichten und Altersgruppen. Ungefähr neun von zehn der Betroffenen sind Männer.

Die Ursachen für Spiel- und Wettsucht sind vielfältig. Sie reichen von der Fülle des vorhandenen Angebotes, der familiären und gesellschaftlichen Toleranz über die belohnende Wirkung von Gewinnen bis hin zu persönlichen Faktoren wie mangelndes Selbstwertgefühl, Depressionen und übermäßiger Alkoholkonsum.

"Anders als etwa bei Alkohol- oder Tablettenabhängigkeit gelingt es den Betroffenen oft jahrelang, ihre Sucht zu tarnen oder zu leugnen", berichtet Schönell. Die fange meist harmlos an. Die ersten kleineren oder größeren Gewinne heben das Selbstwertgefühl, entlasten von möglichen psychischen Problemen, neue Kontakte zur Spielerszene bereichern den Alltag und die Risikobereitschaft wächst.

Im kritischen Gewöhnungsstadium steigt die Spielintensität, die Einsätze werden ebenso wie die Verluste höher. Geliehenes Geld wird verspielt, Arbeit und Familie werden vernachlässigt. Am Ende ist meist der gesamte Besitz verspielt, die Schulden wachsen. Familie und soziales Umfeld sind zerbrochen. Und wenn zum Schluss das Geld zum Spielen kriminell beschafft wird, droht sogar noch das Gefängnis.

"Ob pathologisches Spielverhalten eine Krankheit ist, ist unter Schulmedizinern noch umstritten", sagt der Chefarzt. "Krankenkassen und Rentenversicherer haben jedoch im März 2001 Rahmenempfehlungen erlassen, denen zufolge sie die Kosten für ambulante und stationäre Spielsucht-Therapien unter bestimmten Bedingungen bezahlen."

Niemals Geld leihen.

Zeitlimit fürs Spielen wählen.

Ausgleich zum Wetten finden.

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