Stadtteilcheck Oppum Der Gnadenhof für Pferde und Ponys in Oppum

50 Pferde, Ponys und Esel haben ihr Zuhause auf einem Bauernhof in Oppum gefunden.

Stadtteilcheck Oppum: Der Gnadenhof für Pferde und Ponys in Oppum
Foto: Andreas Bischof

Oppum. „Wenn ich da mit dem Hintern draufgesessen habe, ist das für mich ein Kumpel.“ Annemarie Hendricks trägt das Herz auf der Zunge. Sie kann nicht verstehen, dass für viele Menschen heute ein Pferd nur noch ein Sportgerät ist, ein Ding: wenn kaputt, dann neu. Wir sitzen in der Küche des Gnadenhofs in Oppum an der Hauptstraße. Hund „Fly“, vier Monate alt, muss sich an der frischen Luft tummeln, da er sonst zu schnell an den Hosen knabbert. Annemarie Hendricks, assistiert von Sabine Giebel, kommt so langsam in Fahrt: „Für die Kinder muss es heute natürlich ein Pony sein. Und plötzlich ist das Kind zu groß, das Pony zu klein.“ Sabine Giebel: „Und dann muss es ruckzuck gehen, die haben keine Zeit.“

Stadtteilcheck Oppum: Der Gnadenhof für Pferde und Ponys in Oppum
Foto: Andreas Bischof

„Wenn Sie immer mit dem Elend zu tun haben, verlieren sie — was die Tiere angeht — das Vertrauen in die Menschen“, sagt Annemarie Hendricks und hat auch gleich ein Beispiel vom Gnadenhof zur Hand: Seit zehn Jahren ist der Fuchs „Mandingo“ in Oppum. Das Tier war schon beim Pferdemetzger, hatte 40 Brandwunden auf dem Körper und einen abgeschnittenen Schweif. Hendricks: „Eine befreundete Tierärztin hat ihn untersucht und festgestellt, dass die Brandwunden von ausgedrückten Zigaretten stammten.“ Dank der Pflege auf dem Gnadenhof ist der 18-jährige „Mandingo“ heute völlig in Ordnung.

Stadtteilcheck Oppum: Der Gnadenhof für Pferde und Ponys in Oppum
Foto: Andreas Bischof

„Mandingo“ hat auf dem Gnadenhof einen Freund gefunden. Der heißt „Jo“, ist 16 Jahre alt und ein Cowboy-Pferd, das die Besucher von Reiterveranstaltungen und beim Rindertreiben unterhalten sollte. Das ewige stop and go geht den Tieren auf die Knochen, „Jo“ konnte nicht mehr mithalten: ausgemustert. Ähnlich erging es der inzwischen 22 Jahre alten „Leona“, einer edlen Zuchtstute. Die war besamt worden und wurde nicht trächtig: ausgemustert.

50 Pferde, Ponys und Esel stehen auf der Futterliste des gemeinnützigen Vereins: „Wenn ich noch mehr Ställe hätte, würden die auch noch voll“, sagt Annemarie Hendricks: „Bei 50 ist allerdings Schicht. Mehr geht nicht.“

Immer wieder gibt es Stoßzeiten, wie Weihnachten vergangenen Jahres: „Haben Sie noch Platz, ich hab ein Pferd abzugeben“, hieß es. Sechs Pferde zogen ein. Eines davon war „Scharlett“ (schreibt sich wirklich so), 27 Jahre alt, aus Thüringen. Nach sieben Stunden Fahrt kam das Pferd auf einem kleinen Hänger an, nur noch Haut und Knochen, konnte auf den durch das Stehen dicken Beinen kaum noch laufen: „Das waren Beine wie Wiesenpfähle“, beschreibt Hendricks den Zustand bei der Ankunft: „Ich hätte mich geschämt, auf so einem Pferd zu sitzen.“

Den Pferden auf dem Gnadenhof geht es gut. Die körperlichen und seelischen Wunden, die ihnen zugefügt wurden, sind kaum noch zu sehen. „Die meisten Besucher wollen reiten. Und das können wir nicht bieten“, sagt Sabine Giebel. Die beiden Frauen — Hendricks ist die erste, Giebel die zweite Vorsitzende des Oppumer Vereins — sind ein wenig enttäuscht, dass nur wenige Kindergarten- und Schulgruppen den Hof besuchen: „Vielleicht ist es die Haltung: Das kann ich ja den Kindern nicht zumuten“, meint Giebel.

Dass die Tiere in einem so guten Zustand sind, kommt nicht von ungefähr. Dem „Pferdejeck“ Annemarie Hendricks steht seit Jahren Hufschmied Winfried Tölles zur Seite, Tierarzt Udo Zehl hilft mit Rat und Tat und die Partner vom Bund deutscher Tierfreunde unterstützen den Gnadenhof finanziell. „Sonst könnten wir uns das Futter nicht leisten“, sagt Hendricks und zählt auf: „Für die 50 Pferde brauchen wird pro Woche einen Big-Pack Futter, also 750 Kilo, die etwa 350 Euro kosten. Dazu kommen die Kosten für Heu, Stroh und Möhren.“

Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Das hat nicht nur steuerliche Vorteile, verurteilte Straftäter können hier ihre Sozialstunden ableisten. „Die Jungs, die wir jetzt hier haben, sind wirklich klasse“, sagt Sabine Giebel. Drei bis vier Jugendliche sind es in der Regel, die in Oppum die Mistgabel in die Hand nehmen. „Schon mal sind auch keine da“, seufzt Giebel. Dann müssen die beiden Damen selbst ausmisten.

Das Thema Urlaub haben Annemarie Hendrick´s und Sabine Giebel ohnehin abgeschrieben: Vor zwei Jahren seien sie mal abends im lachenden Königpalast gewesen: „Das war schön, aber um 5.30 Uhr mussten wir wieder raus.“ Dann steht nicht nur Ausmisten an. „Ich muss oft genug Tierarzt spielen“, berichtet Annemarie Hendricks: „Dabei habe ich mehr Glück als Verstand.“ Denn sie muss Spritzen setzen, Koliken behandeln, selbst offene Wunden nähen: „Und Hebamme bin ich auch.“ Da war der Fall des Pferdemetzgers, der sich weigerte, seinem Handwerk bei einer Stute nachzukommen: „Die ist trächtig, die schlachte ich nicht.“

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