Finanzskandal: Stadt war gewarnt

In der Ratssitzung wurden neue Details genannt. Die Grünen erwägen einen Abberufungsantrag gegen Oberbürgermeister Gregor Kathstede.

Krefeld. Immer neue Details werden im Finanzskandal bekannt, der die Stadtverwaltung erschüttert. In der Sitzung des Stadtrates berichtete Oberbürgermeister Gregor Kathstede am Donnerstagabend von einer E-Mail der Wirtschaftsförderungsgesellschaft an den Finanz-Fachbereich zwei Tage nach der folgenschweren Fehlüberweisung von knapp 800 000 Euro.

In der wurde bereits von finanziellen Schwierigkeiten des Zahlungsempfängers berichtet. Wenige Tage später beantragte das Unternehmen Insolvenz. Das Finanzamt soll die Stadtverwaltung zuvor sogar explizit vor Zahlungen an das Unternehmen gewarnt haben. Grünen-Fraktionsvorsitzende Stefani Mälzer berichtete, sie habe Einsicht in Akten gehabt, aus denen die eindeutige Aufforderung des Finanzamtes bereits drei Wochen vorher erfolgte: am 19. Mai 2008.

Vertrauensbruch, Vertuschung, Lüge - der Oberbürgermeister musste sich von Ratspolitikern heftige Kritik bis hin zur Androhung eines Abberufungsverfahrens anhören. Und der frühere Stadtkämmerer Manfred Abrahams, jetzt Stadtdirektor in Düsseldorf, soll sich auf Betreiben von SPD und FDP einem Disziplinarverfahren unterziehen. Ebenso wie Kathstede habe er die Politik wissentlich belogen, als er am 19. Mai dieses Jahres im Rechnungsprüfungsausschuss sagte, bei der 800 000-Euro-Fehlüberweisung habe es sich um einen Einzelfall und nicht um einen Systemfehler gehandelt.

Denn da waren längst zwei weitere fehlerhafte Gewerbesteuer-Rückzahlungen bekannt, die Rechnungsprüfer im April entdeckt hatten: So wurden 602 244 Euro versehentlich doppelt überwiesen, was dem Finanz-Fachbereich selbst nicht aufgefallen war. Sie konnten glücklicherweise nach zwei Monaten zurückgebucht werden. Zudem räumte die Stadt am Dienstag von sich aus einen weitere Fehlüberweisung von 4000Euro ein, die aber nur zum Teil wieder eingetrieben werden konnte. Kathstede lehnte aber das Einleiten eines Disziplinarverfahren in nicht-öffentlicher Sitzung ab: Es gebe keine Anhaltspunkte.

Hans Butzen (SPD) zeigte sich überzeugt, dass die Stadtspitze die 800 000 Euro unauffällig im Haushalt verbuchen wollte. Stefani Mälzer nannte Gelder zwischen 30 und 57 Millionen Euro, die die Stadt seit Jahren nicht eintreibe. "Bei 50 bis 65 Prozent davon handelt es sich um Gewerbesteuer." Aus dem Finanzbereich seien seit Jahren Probleme bekannt, Mitarbeiter hätten sogar Überlastungsanzeigen geschrieben. Aber es habe nie jemand reagiert. An dem Prüfbericht habe die Verwaltung "so lange gefeilt, bis es stimmt". Unter anderem sei herausgestrichen worden, was den Kämmerer belaste.

"Wir sind an der Nase herumgeführt worden", schoss FDP-Fraktionschef Joachim C. Heitmann gegen den Oberbürgermeister, zu dem er keine Vertrauensbasis mehr sieht. CDU-Fraktionsvorsitzender Wilfrid Fabel hingegen sprach Kathstede das Vertrauen aus und mahnte die "Wortwahl an, die nicht in Ordnung ist". Einen Abberufungsantrag werde seine Partei nicht unterstützen: "Dafür haben Sie in dieser Wahlperiode die Mehrheit nicht", sagte Fabel in Richtung der Grünen.

Zur von der SPD beantragten Abberufung des Leiter des Rechnungsprüfungsamtes kam es bei der Sitzung nicht. Er soll noch einmal Gelegenheit bekommen, sich ausführlich zu äußern.

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