Interview SPD-Kandidatin mit flotter Zunge

Die Neukirchen-Vluynerin Elke Buttkereit will Siegmund Ehrmann in Berlin beerben. Sie sagt: „Wir sind oft zu kompliziert.“

Interview: SPD-Kandidatin mit flotter Zunge
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Elke Buttkereit also. Eine Sandwich-Lösung, wer so will. Keine Krefelderin, keine Moerserin, sondern eine Frau aus dem kleinsten SPD-Ortsverein des Wahlkreises soll in Berlin Nachfolgerin von Siegmund Ehrmann werden. Und der wäre selbst „schuld“. Schließlich hat Ehrmann die Neukirchen-Vluynerin mit der flotten Zunge überhaupt erst zur Politik gebracht. Auf der Delegierten-Versammlung vor einigen Tagen in Moers wollten das satte 86 Prozent, es gab elf ungültige und neun Gegenstimmen. „Ich hab direkt mal vorsichtig nachgefragt, ob die sich in Berlin wohl freuen, wenn ich komme.“ Die 49-Jährige steht nicht gerade in dem Ruf, bequeme Wege zu gehen.

Frau Buttkereit, mal ehrlich. Alle Ortsvereine haben sich mit großer Mehrheit für Sie ausgesprochen, es gab quasi keinen Gegenkandidaten mehr, trotzdem blieb auf der Delegiertenversammlung ein nordkoreanisches Ergebnis aus. Ärgert Sie das?

Elke Buttkereit: Ach was, ich bin hochzufrieden. Alles andere wäre ja auch geheuchelt gewesen. Im Gegenteil, ich bin stolz auf unsere Truppe, weil ich weiß, die SPD kann auch anders.

Wie meinen Sie das?

Buttkereit: Nun, es ist nicht selbstverständlich, dass alle zusammen über die eigenen Interessen hinaus an einem Strang ziehen und das Ziel gemeinsam in den Vordergrund stellen: nämlich den Wahlkreis direkt zu holen. Besonders die Krefelder haben Größe gezeigt und den Prozess ohne eigenen Kandidaten mit vorangetrieben. Das ist schon stark. Vielleicht sind wir einfach auch die nächste Generation.

Zwischen Krefeld und Moers scheint es oftmals so eine Art Kulturgrenze zu geben. Ist die Sozialdemokratie durch das Verfahren näher zusammengerückt?

Buttkereit: Ich denke schon. Wie gesagt, gerade für Krefeld war das eine schwierige Situation. Eine so große Stadt, geteilt in zwei Bundestagswahlkreise, ohne eigene Mehrheit. Da macht Ralph-Harry Klaer einen unaufgeregten, sehr guten Job.

Schmeicheln Sie sich gerade ein?

Buttkereit: Ne, das ist meine Meinung. Ich bin auch nicht als Ja-Sagerin berühmt, im Gegenteil, ich bin wohl oft sehr direkt, manchmal zu direkt. Ich selbst komme aus einer Handwerker-Familie, mein Mann ist Schweißer, ich bin seit 30 Jahren bei der Paradies GmbH beschäftigt, war im Betriebsrat, seit langer Zeit bin ich Abteilungsleiterin. Da gehört die klare Ansage zur Kultur, das gehört zu mir.

Macht man so eine so schnelle Karriere in der zuletzt sehr angepasst auftretenden Bundes-SPD?

Buttkereit: Erstmal: Ja, natürlich müssen wir arbeiten, um Vertrauen zurückzugewinnen. Angepasst geht mir zu weit. Aber es stimmt, ich bin erst 2009 zur Politik gekommen, weil ich nicht immer nur meckern, sondern anpacken wollte. 2011 wurde ich stellvertretende Parteivorsitzende, 2013 Vorsitzende, 2015 Fraktionsvorsitzende. Die Bundestagskandidatur hatte ich nicht auf dem Schirm. Selbst als Siegmund Ehrmann im März überraschend seinen Rückzug ankündigte. Klingt vielleicht komisch: Aber ich habe in unseren Reihen geforscht, wen ich wählen würde. Und bin unter anderem auf mich gekommen.

Spricht für ein gutes Selbstbewusstsein.

Buttkereit: Ich halte es für eine ehrliche Selbsteinschätzung. Was soll ich rumdrucksen? Ist nicht meine Art. Aber ich weiß sehr genau, dass ich noch keine fertige Kandidatin bin und eine Menge zu lernen habe. Damit habe ich am Freitag nach der Nominierung angefangen.

Sie wirken wie der Gegenentwurf zum besonnenen Herrn Ehrmann. Ein Nachteil?

Buttkereit: Nein, warum? So lange ein Mensch authentisch rüberkommt, geht es um Inhalte, nicht um die Art. Siegmund Ehrmann hat den Wahlkreis auf seine Weise erobert, als ausgewiesener Fachmann für Kultur und Medienpolitik. Er hat gezeigt, dass man sich auch als Nicht-Krefelder sehr erfolgreich für Krefelder Interessen einsetzen kann. Davon werde ich sicher profitieren und dasselbe will ich auch tun. Präsent sein, mich ranpirschen an Krefeld und seine Themen, sie offen ansprechen und Lösungen suchen.

Was sind Ihre vordringlichen Themen?

Buttkereit: Arbeit und Soziales. Das sagt erstmal jeder Sozialdemokrat, ich weiß. Speziell habe ich die Themen Wirtschaft, Frau und Beruf sowie Infrastruktur auf der Agenda. Frauen sollen in der Arbeitswelt nicht versuchen müssen, der bessere Mann zu sein, sondern ihre eigenen Stärken einzubringen. Es geht darum, den Wohnungsbau zu fördern und in Berlin Gelder für die gebeutelten Städte locker zu machen. Für Krefeld, Neukirchen-Vluyn und Moers. Die Flüchtlingsproblematik muss in erster Linie auf europäischer Ebene gelöst werden. Eine gerechtere Umverteilung der Verantwortung schafft Entlastung für alle. Der Bundestrend spricht derzeit nicht gerade für eine Abgeordnete Buttkereit.

Was ist da los in der Bundes-SPD?

Buttkereit: Zunächst mal ist es schwer, in einer großen Koalition sein Profil zu schärfen. Wir sind oft in den Themen zu kompliziert. Da wird Großes angekündigt und es hat wenig Wirkung. Es dauert auch zu lange mitunter. Bis der Bürger etwas von Verbesserungen spürt, hat er vergessen, wer sie initiiert hat. Wir müssen wieder näher ran, die Menschen, die Gewerkschaften ins Boot holen. Uns zum Beispiel für eine flächendeckendere Tarifautonomie einsetzen.

Die Schwäche der einen ist die Stärke der anderen.

Buttkereit: Wenn Sie die AfD meinen, muss ich leider sagen: Ja, das macht mir Sorgen. Dass diese Partei es mit diesen rückständigen Inhalten schafft, eine Menge Menschen zu erreichen, ist schlimm. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen zu zeigen, wer die AfD wirklich ist, dass dort kein Protest gewählt werden kann, sondern eine Gefahr.

Wie wollen Sie das schaffen?

Buttkereit: So wie ich Politik mache. Mit knackigen, ehrlichen Formeln und klaren Ansagen. Ich möchte, dass die Menschen mich verstehen, ich muss am Info-Stand keine Hochschularbeit abliefern.

Apropos Schule. Ihre ärgste Gegenkandidatin ist Lehrerin, aus Krefeld und von der CDU. Sie hat Ehrmann in dem traditionell roten Wahlkreis bei der letzten Wahl in Bedrängnis gebracht. Wie sehen Sie Ihre Chancen?

Buttkereit: Wie gesagt, wir wollen den Wahlkreis direkt holen. Wir werden dabei auch Themen besetzen, die die CDU für sich beansprucht, die für mich aber ursozialdemokratische Ideen sind. Mir persönlich liegt die Stärkung des Mittelstands am Herzen. Kein Arbeitgeber bringt Geld mit, er möchte Geld verdienen. Aber wir müssen Anreize dafür schaffen, dass die kleinen und mittleren Betriebe in Handwerk, Industrie und Handel wieder gern Arbeitnehmer beschäftigen. Dafür würde ich mich auch gern in Berlin einsetzen.

In welcher Regierungskonstellation?

Buttkereit: Puh, jetzt kommt’s, Rot/Grün wäre ein Traum, Rot/Rot/Grün muss diskutiert werden und wäre für mich mit einer starken SPD möglich, die Fortführung der Groko nur ein Mittel, um die Stabilität in Deutschland in schwierigen Zeiten sicherzustellen.

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