So leiden Krefelder Genossen unter der SPD-Achterbahn

Auf der Suche nach dem Selbstverständnis soll es vor der Briefwahl noch zwei Veranstaltungen geben.

So leiden Krefelder Genossen unter der SPD-Achterbahn
Foto: Heinz-Dieter Wurm/Grafik: KLMX

Die Partei tief gespalten, die Suche nach der Identität verzweifelt, die Angst vor der Bedeutungslosigkeit greifbar. Oben drüber eine Parteispitze, die mindestens zerstritten, wenn nicht orientierungslos ist — die SPD fährt Achterbahn mit ihrer Basis, auf bescheidenen Hügelchen zwischen 16 und 20 Prozent.

Wo die Reise hingeht, entscheiden bald auch die Krefelder Mitglieder. Umfragen glauben an eine Zweidrittelmehrheit pro GroKo bundesweit. Krefelder Genossen üben heftige Kritik an den Großen. Und hoffen im Kleinen.

Da wären zum Beispiel die 66 Neumitglieder seit Anfang Januar. Im gesamten Jahr 2017 inklusive Schulz-Hype waren es gerade mal 98. Die neue Eintrittswelle beschert der Krefelder SPD den Sprung in die Vierstelligkeit auf 1030. Krefelds Parteichef Ralph-Harry Klaer sagt, er glaube, dass alle zunächst einmal das Bedürfnis verspürten, mitzureden. Aber er weiß natürlich, dass nicht wenige davon auch der Juso-Kampagne gefolgt sein werden.

Heute ist die Protesthaltung der Krefelder Jusos wesentlich differenzierter zu betrachten. Sprecherin Stella Rütten sagt vorsichtig: „Die Kampagne ,Tritt ein - sag nein’ hat bei uns in Krefeld auch für Diskussionen gesorgt, so dass wir sie letzten Endes nicht mitgetragen haben. Ich persönlich bin der Meinung, dass man mit Inhalten überzeugen muss und bin stolz darauf, dass die Jusos diesen Weg auch weiterhin einschlagen werden.“ Rütten freut sich über die offenbar harte Verhandlung von Nahles und Co, hält eine Obergrenze beim Familiennachzug und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen aber weiterhin für problematisch. Die junge Frau schafft den Spagat ohne Vorfestlegung. Das ist wichtig, denn der Schaden ist da. Und das formuliert Stella Rütten in aller Deutlichkeit: „In den letzten Wochen ist die Bundes-SPD zu Recht als Umfaller-Partei wahrgenommen worden. Die Glaubwürdigkeit der Parteispitze sinkt und damit leider auch die Umfragewerte. Ich habe schon vor dem letzten Parteitag kritisiert, dass man die Verantwortung an die Basis weiterreicht und damit keinerlei Führungsqualitäten zeigt. Und auch heute kann ich das nur wiederholen. Die Parteispitze agiert derzeit von Tag zu Tag und nicht zielorientiert oder schadensbegrenzend.“

Eine Empfehlung vermeidet auch SPD-Chef Ralph-Harry Klaer. Er verspürt eine „sehr konstruktive Stimmung in der Krefelder SPD“. Die Umfrageergebnisse mit 16 Prozent seien zweitrangig, meint er und liefert eine überzeugende Erklärung für den scheinbaren Widerspruch: „Die 20 Prozent sind für die SPD sowieso eine absolute Katastrophe.“

Die Peinlichkeiten der Parteispitze analysiert Klaer in der ihm eigenen Art nüchternen Art. Nahles, die gute Kämpferin mit Defiziten in der Wortwahl, Schulz, dessen Zickzack-Kurs ihm die Mitglieder nicht mehr geglaubt haben, Gabriel, der infantil seine Tochter instrumentalisiert und auch in puncto Waffengeschäfte die Glaubwürdigkeit verloren hat. Insgesamt habe das Theater die Partei bis ins Mark erschüttert.

Damit hat er recht. Nun ist es aber die Partei, auch die in Krefeld, die über ihr eigenes Schicksal abstimmen darf. Das ist Privileg und Verantwortung zugleich.

Am Montag gibt es ein Treffen mit den Neumitgliedern, am Mittwoch diskutiert die SPD Krefeld parteiöffentlich, bevor es zur Briefwahl geht. Wie belastbar modernste Umfragen sein können, haben die Wahlen in den USA gezeigt.

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