Sektenarzt: Justiz tritt auf der Stelle

Krefelder Staatsanwaltschaft: Verfahren kann sich noch lange hinziehen.

Krefeld. Ein Jahr dauern die Ermittlungen gegen den Arzt der früheren deutschen Sekte „Colonia Dignidad“ im Süden Chiles, Hartmut H. Doch die Justiz scheint auf der Stelle zu treten. Der ermittelnde Krefelder Oberstaatsanwalt Klaus Schreiber teilte auf Anfrage der WZ mit, dass es „mehrere Ermittlungsstränge“ gebe. Nähere Angaben wollte er nicht machen.

Seit dem Auslieferungsersuchen der chilenischen Justiz seien keine neuen Unterlagen in Deutschland eingetroffen. Hartmut H. (68), der mit seiner Frau (78) in der Krefelder Innenstadt wohnt, ist zwar in Chile zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern verurteilt worden. Rechtskräftig ist das Urteil aber nicht, weil sich H. im Mai 2011 nach Deutschland abgesetzt hatte.

Über die Rechtskraft des Urteils hätte die dritte Instanz zu entscheiden — doch in Abwesenheit eines Angeklagten wird in dem südamerikanischen Land nicht verhandelt. In Deutschland genießt der Sektenarzt den Schutz des Grundgesetzes: Er kann nicht abgeschoben werden.

Klaus Schreiber teilte ferner mit, dass er mehrere Zeugen zu den Körperverletzungsvorwürfen (zuletzt aus dem Jahr 2002) vernommen habe. Zwei Bewohnern der Kolonie sollen auf H.’s Geheiß Psychopharmaka verabreicht worden sein. Dann seien sie zu Reparaturen auf ein Dach geschickt worden, von dem sie unter dem Einfluss der Medikamente herabstürzten.

Der Oberstaatsanwalt geht davon aus, dass sich das Verfahren „noch lange hinziehen“ wird. Immerhin hat die Justiz knapp 60 000 Euro in die Übersetzung mehrerer hundert Seiten chilenischer Akten investiert. al

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