Sein Wunsch zu Weihnachten: Mit 58 wieder eine Arbeit

Martin Schebler beschwert sich nicht über sein Leben. Als einstiger Selbständiger wundert er sich aber über das Jobcenter.

Krefeld. Heiligabend fällt bei Martin Schebler bescheiden aus. Mit monatlich 374 Euro zum Lebensunterhalt kann er sich nichts Besonderes leisten — geschweige denn, etwas Unterhaltsames unternehmen. „Mein täglicher Radius ist maximal 100 Meter groß und beschränkt sich auf die Strecke zwischen Wohnung, Lebensmittelsdiscounter, Bäckerei und Kiosk.“ Der 58-Jährige ist seit sechs Jahren arbeitslos. Er will und könnte arbeiten, wenn „mich das Jobcenter ernsthaft dabei unterstützen würde“.

Martin Schebler will sich nicht beschweren, nur das Bild zurechtrücken, das eine große Boulevardzeitung vor drei Wochen vom „faulen und unverschämten Hartz-IV-Empfänger“ gezeichnet hat. „Es gibt auch Langzeitarbeitslose, die in sechs Jahren noch nicht einmal ein Bewerbertraining erhalten haben, obwohl sie jeden Job annehmen würden“, sagt der einstige Freiberufler und schüttelt ob dieser Praxis verständnislos den Kopf. Schebler spricht über sich.

Statt zu resignieren, setzt er sich für sich ein. Mit Worten, zahlreichen Briefen an die Geschäftsführung des Jobcenters in Krefeld, an die Regionaldirektion in Düsseldorf bis an die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Zwei dicke Leitz-Ordner voll davon hat er inzwischen zu Hause stehen. „Auch wenn es mir vielleicht nicht mehr hilft, dann eben anderen in derselben Situation.“

Als Beispiel nennt er die Praxis der Fahrtkostenerstattung. Wer als Hartz-IV-Empfänger eine Einladung ins Jobcenter erhält, hat laut Sozialgesetzbuch Anspruch auf Erstattung der anfallenden Fahrtkosten.

Er hingegen hat per Anwalt im Jahre 2008 seinen Anspruch auf Fahrtkostenerstattung beim Sozialgericht Düsseldorf eingeklagt, weil die damalige Arge eine Kostenerstattung unter sechs Euro ablehnt.

Noch heute steht auf Einladungsbriefen des Jobcenters, dass nur unter „bestimmten Voraussetzungen, wie Notwendigkeit und Eigenleistungsfähigkeit, Reisekosten erstattet werden können“. „Das ist laut Sozialgesetzbuch rechtswidrig, es gibt keine Bagatellgrenze“, erklärt auf Nachfrage der WZ Jo Greyn vom Arbeitslosenzentrum.

Die meisten Kunden des Jobcenters hingegen wissen das nicht. Schebler bekommt sein Recht. Nach einem Vergleich wird ihm die Summe von 28 Euro erstattet.

Mehr als 35 Ansprechpartner hat er im Laufe der sechs Jahre namentlich aufgelistet, zehn davon sind in dieser Zeit unmittelbar als seine Sachbearbeiter involviert. Einer davon ist der heutige Teamleiter Ronald Orf.

Etwa 250 Bewerbungen hat Scheber nach eigenen Worten seither eigenständig geschrieben, mehrere Jobbörsen und Weiterbildungsmessen aus eigenem Antrieb besucht. Laut seinen Worten ohne Erfolg. Als er das Angebot eines hiesigen Taxiunternehmers erhält, für ihn fest zu fahren, sieht er Licht am Horizont. Das einzige was ihm fehlt, ist ein Taxischein.

„Doch das Jobcenter hat die Übernahme der Kosten von rund 400 Euro abgelehnt, es zahlt lieber Tausende von Euro in den nächsten Jahren“, sagt Martin Schebler mit leiser Ironie in der Stimme. Orf weiß auf Nachfrage der WZ im Rückblick nichts von einem solchen Antrag. „Jede mögliche Arbeitsaufnahme ist doch sinnvoll für uns“, setzt er dagegen.

Dennoch hat der 58-Jährige bis heute keine neue Anstellung. Dabei klingt seine berufliche Vita vielversprechend. Er hat Realschulabschluss, eine kaufmännische Berufsausbildung. 1978 wechselt er in das Sicherheits- und Bewachungsgewerbe. Zunächst im Ruhrgebiet, später über 20 Jahre lang im Ausland.

Zeugnisse aus dieser Zeit hat er allerdings nicht, und das ist laut Orf auch ein großes Problem. Dabei spricht er Englisch und Spanisch, besitzt seit 35 Jahren einen Führerschein, hat Sicherheitsfahrtrainings absolviert und besitzt rechtmäßig einen Waffenschein und bis vor sechs Jahren auch eine Waffenbesitzkarte. Gegen ihn liegt nichts vor, weder bei der Polizei noch beim Jobcenter.

Und es geht ihm lange gut, zumindest bis zum Jahre 2006. In dem Jahr verliert er all seine Ersparnisse, die er als Altersruhegeld in einen Immobilienfonds angelegt hat. Er verkauft sein Haus, sein Auto, schnallt den Gürtel enger und enger, die Schulden wachsen. Deshalb meldet er sich schließich Anfang 2007 beim Jobcenter arbeitslos.

Vor wenigen Wochen glaubt er endlich die Chance gefunden zu haben, in seinen Traumjob als Wach- und Sicherheitskraft zurückzukehren. Das einzige, was ihm dazu noch fehlt, ist eine Sachkundeprüfung vor der IHK. Sein Sachbearbeiter stimmt dem Lehrgang sofort zu. „Das ist doch ideal für Sie“, lautet dessen Kommentar.

Am 29. Oktober 2012 soll der sechsmonatige Kurs beginnen. Doch Schebler steht an diesem Morgen vor verschlossener Tür. Wegen zu geringer Teilnehmerzahl fällt der Lehrgang aus. Das Jobcenter hat ihn darüber nicht informiert. Das übernimmt er selbst an dem besagten Morgen. Allerdings hat sich sein neuer Sachbearbeiter das wohl nicht notiert. Bei einer Nachfrage der WZ vor wenigen Tagen wähnt ihn das Jobcenter immer noch in dem Lehrgang.

Aufgeben will Martin Schebler dennoch nicht. Sein einziger Wunsch zu Weihnachten? Eine Arbeit. „Alles ist besser, als monatlich von 374 Euro zu leben.“ Das findet auch Ronald Orf und bekräftigt gegenüber der WZ: „Wir haben ihn in der Vergangenheit unterstützt, wir werden das auch in Zukunft tun.“

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