Krefeld Seelsorger hilft, Leichnam nach Afghanistan zu überführen

Thomas Guntermann betreut die Freunde eines 18-Jährigen, der im Rhein ertrunken ist. Mit seinen Kontakten will er helfen, den Leichnam nach Afghanistan zu überführen.

Thomas Guntermann ist Flüchtlingsseelsorger der katholischen Region Krefeld-Meerbusch.

Thomas Guntermann ist Flüchtlingsseelsorger der katholischen Region Krefeld-Meerbusch.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Als Thomas Guntermann endlich an sein seit Minuten andauernd klingelndes Telefon geht, hellt sich seine Miene auf. Er hört konzentriert zu. Dann schreibt er etwas auf und deutet vehement darauf. Auf dem Block steht „Afghanische Botschaft“. Guntermann huscht ein Lächeln übers Gesicht. Dann legt er auf. „Das muss ich erstmal sacken lassen“, sagt er und fügt dann an: „Das ist ja der Wahnsinn, auch die afghanische Botschaft will helfen, den Leichnam nach Kabul zu bringen.“

Tausend Gedanken schießen Guntermann durch den Kopf. Wen muss ich als nächstes anrufen, wer könnte noch helfen? „Ich habe viele, viele Telefonate geführt, seitdem ich erfahren habe, dass die Eltern ihren verstorbenen Sohn gerne in Afghanistan beerdigen würden“, berichtet er. Die Sprache ist von dem vergangene Woche beim Baden im Rhein ertrunkenen 18-jährigen Mann aus Afghanistan.

Guntermann war als Flüchtlingsseelsorger in die Glockenspitzhalle berufen worden, um die Menschen zu betreuen, die den Ertrunkenen durch ihr Zusammenleben dort gekannt hatten. „Unter den Menschen waren auch zwei junge Männer, die mit dem Verstorbenen am Rhein unterwegs waren, als das Unglück geschah“, erzählt Guntermann. Nur durch seine langjährige Erfahrung hätte er ihnen angemerkt, wie betroffen sie durch die Situation gewesen seien. Viel mehr aber sei allen Anwesenden eine Hilfsbereitschaft anzumerken gewesen.

„Es war der unbedingte Wunsch der Menschen, dass den Eltern in Afghanistan der Abschied von ihrem Sohn ermöglicht wird — bei mir hat das Gänsehaut verursacht“, so Guntermann. In der Halle wird Geld gesammelt, um eine Überführung des Leichnams nach Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, zu ermöglichen. „Die anwesenden Flüchtlinge hatten Kontakt zu den Eltern des Verstorbenen, die sich eine Beisetzung ihres Sohnes nach muslimischen Ritus wünschen.“ Ergriffen von dem Engagement derer, die eigentlich trauern müssten, beginnt der Flüchtlingsseelsorger sein Netzwerk zu kontaktieren. Schnell wird klar, dass eine solche Überführung mehrere tausend Euro kostet. „Ich habe mit rund 6500 Euro kalkuliert“, sagt Guntermann.

Er beginnt zu telefonieren und nimmt Kontakt auf. Kontakt zur Katholischen Kirche, zur türkischen Gemeinde, zur evangelischen Gemeinde, zum Flüchtlingskoordinator, zum Flüchtlingsrat, zum Lions Club und vielen weiteren Organisationen und Verbänden. Der 53-Jährige will es unbedingt ermöglichen, dass die Eltern sich von ihrem toten Sohn verabschieden können. Und er erhält Unterstützung. „Die Rückmeldungen waren überwältigend. Fast jeder wollte helfen. Wir haben dann über den Lions Club gestern ein Konto eingerichtet“, sagt er.

Rund 1500 Euro seien an Spenden bislang eingegangen. „Ich bin optimistisch, dass wir die Summe zusammenkriegen — immerhin arbeite ich für eine Organisation, die an Wunder glaubt“, grinst er und überspielt damit auch ein wenig, wie viel Kraft ihn die gesamte Vermittlungsarbeit in den vergangenen Tagen gekostet haben muss. Aber Thomas Guntermann ist das egal, denn bei all seinen Anstrengungen ist ihm etwas Besonderes aufgefallen. „Egal welche Religion oder Herkunft die Leute haben, es ging bei den meisten einfach darum, jetzt und hier zu helfen — manchmal auch entgegen so mancher Anordnung.“

Aktuell steht die Suche nach einem Bestattungsunternehmen, das die Überführung nach Kabul übernehmen könnte, an. Je eher Guntermann das Geld zusammenhat, desto besser. „Wie wichtig die ganze Angelegenheit ist, zeigt schon die Tatsache, dass die Eltern des Verstorbenen bereits jetzt am Flughafen in Kabul sind und darauf warten, dass der Leichnam überführt wird“, erklärt der Flüchtlingsseelsorger. Dann klingelt wieder sein Telefon. Flüchtlingskoordinator Hansgeorg Rehbein ist dran. Wieder lächelt Guntermann. Dann verabschiedet er sich. „Es ist noch viel zu tun“, sagt er beim Rausgehen.

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