Rätsel um junge Herzkranke

Im Klinikum fallen drei Patienten auf, deren Herzen aussehen wie die von 80-Jährigen — durch Drogenkonsum.

Krefeld. Die drei jungen Patienten geben den Medizinern Rätsel auf. Mit Atemnot und am Ende ihrer Kräfte waren sie ins Helios-Klinikum gekommen. Bald steht fest: Ihre Herzen sind stark vergrößert, sie können den Körper kaum noch versorgen. „Uns haben die drei ähnlichen Fälle stutzig gemacht“, sagt Professor Heinrich Klues, Chefarzt der Kardiologie im Klinikum. „Die Herzen der jungen Leute wiesen schwerste Schäden auf, wie wir sie nur von hochbetagten Menschen kennen. Alle bekannten Ursachen konnten wir ausschließen. Wir wussten nicht, woher es kam.“

Dass die Ursache der schweren Erkrankungen überhaupt ermittelt ist, liegt an der Detektivarbeit der Mediziner. In vielen Gesprächen mit den Betroffenen fiel der entscheidende Hinweis: „Der regelmäßige Gebrauch von Party-Drogen hat die Herzmuskeln der Patienten schwer vergiftet“, sagt Klues. Tatsächlich hatten alle drei gern gefeiert. Sie rauschten durch ihre Wochenenden, hatten Spaß in der Disko.

Um den Spaßfaktor zu erhöhen, griffen sie zu so genannten Herzchen, Popeyes oder Sternchen und nahmen diese Aufputschmittel mit Alkohol. Dann warfen sie Ecstasy und Speed täglich ein, bis sie unter Atemnot litten, keine Treppe mehr hochsteigen konnten und ständig müde waren. Doch es kam noch schlimmer: Die drei jungen Leute, um die 20 Jahre alt und aus der näheren Umgebung von Krefeld, hatten ohne Vorerkrankung irreparable Herzschäden erlitten.

Als die Mediziner bei Helios das herausgefunden hatten, wurden sie aktiv. Sie schrieben alle Uni-Kliniken und deren Toxikologen und Kardiologen an, mit der Bitte, nach ähnlichen Fällen zu suchen. Die niedergelassenen Kardiologen folgten. „Bei 36 Rückmeldungen aus dem gesamten Land passten die Fälle sehr eng überein“, sagt Klues. Anders als in den USA werden junge Patienten in Deutschland nicht routinemäßig nach einer eventuellen Drogenkarriere gefragt. Auch ein toxikologisches Screening ist in Deutschland nicht üblich. „Dabei würden viele Fälle dadurch bereits deutlich klarer“, erläutert Klues.

„Ich bin mir sicher, dass eine große Mehrheit kardiologischer Kliniken, uns eingeschlossen, eine entsprechende Diagnose häufig übersieht, da wir gar nicht danach fragen.“ Für junge Leute sei die verzögerte oder fehlende Diagnose fatal. Sie setzen den Konsum der Party-Drogen mit großer Wahrscheinlichkeit fort. Dr. Brigitte Bathgate, Oberärztin für Innere Medizin am Helios-Klinikum, erläutert die MRT-Bilder der drei jungen Leute, die sie als nett, gebildet und unauffällig bezeichnet. „Sie haben die Drogen eineinhalb bis zwei Jahre genommen.“

Die dadurch fast doppelt so großen Herzen konnten sich nicht mehr zusammenziehen, es fehlte jede Beweglichkeit eines gesunden Herzens, das normalerweise 55 Prozent des Blutes auswirft. Hier waren es nur 16 Prozent. Die jungen Leute sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, sehr schwer krank zu sein. Klues: „Die Prognose bei zweien ist so schlecht, dass sie zur Herztransplantation vorgesehen werden. Einer von ihnen trägt bereits ein Kunstherz zur Unterstützung. Im dritten Fall ist eine leichte Verbesserung mit Medikamenten möglich. Alle sind schwerstbehindert. Sie schaffen es kaum noch bis zum Bäcker.“

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