Puppentheater Blaues Haus - die Perle vom Niederrhein

Warum das Theater aus Hüls so beliebt ist, nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen? Ein Gespräch mit den Puppeneltern.

Puppentheater Blaues Haus - die Perle vom Niederrhein
Foto: Andreas Bischof

Hüls. Schon die Immobilie ist ein Schätzchen: 115 Jahre alt, wunderbar restauriert und außen himmelblau gestrichen. Das Blaue Haus im Stadtteil Hüls, etwas abseits an der Tönisberger Straße gelegen, fällt zunächst einmal durch seine ungewöhnliche Farbe auf. Der zweite Blick fällt auf die attraktive antike Eichenhaustür. „Nicht das Original, sondern bei Ebay erstanden“, gestehen die Hauseigentümer Stella Jabben und Volker Schrills lachend. Die beiden Puppenspieler haben sich gesucht und gefunden — beruflich wie privat. Nachdem sie sich 1999 kennengelernt hatten, entstand schon bald der Plan, ein eigenes Puppentheater zu gründen. Wenn sie geahnt hätten, was sie beim Renovieren alles erwartet, hätten sie es sich vielleicht noch anders überlegt.

Ihren Entschluss bereuen sie allerdings bis heute nicht. Jetzt bewohnen sie das Haus mit ihren beiden Kindern und bespielen es regelmäßig für Jung und Alt. Der Dezember ist mit seinem Weihnachtsprogramm ausnahmslos den Kindern vorbehalten. Von „Bellos erstes Weihnachtsfest“ (ab drei Jahre) bis zu „Momo“ (ab acht) ist für alle Jahrgangsstufen etwas dabei. „Wir nehmen die Altersangaben sehr genau, weil die Stücke exakt auf das jeweilige Alter abgestimmt sind“, lässt Jabben keine Ausnahmen zu. Ohne Altersbeschränkung ist lediglich die Erwachsenenbegleitung — übrigens zum Kindertarif, der sich nach dem Alter richtet (drei Jahre gleich drei Euro).

Die Erwachsenen müssen bis Januar warten. Dann gibt es mit „Genoveva“ und „Moby Dick“ auch wieder Puppenspiele für sie. Überhaupt wurden die Puppeneltern von der Nachfrage von Anfang an fast überrollt. „Als wir 2005 eröffneten, hatten schon viele Neugierige die Renovierungsarbeiten beobachtet und konnten den Spielbeginn kaum erwarten“, berichtet der 47-jährige in Figurenspiel und Figurenbau ausgebildete Puppenspieler Schrills, der die Puppen selbst entwickelt und fertigt. „Es ging raketenmäßig los, auch für das erste Erwachsenenstück Harold and Maude.“ Die 48-jährige diplomierte Kulturpädagogin Jabben hat inzwischen ihre Liebe zum Schnitzen entdeckt und schnitzt nun Köpfe aus Holz in der kleinen gemütlichen Puppenwerkstatt, modelliert und näht die passenden Kleider dazu.

Die Werkstatt ist genauso schnuckelig wie das gesamte Ambiente des Hauses. Im Vorraum des Theaters, einer früheren Gaststätte, gibt es eine kleine Hobelbanktheke, an der man schon vor der Vorstellung und während der Pause Getränke erwerben kann. „Die vielen Stammgäste kommen gerne etwas früher zum Plausch und gehen anschließend noch in eines der vielen Hülser Restaurants“, beschreibt Jabben die dörfliche Atmosphäre. In einem Teil des Foyers haben die Eigentümer das darunterliegende Tonngewölbe freigelegt und unter Glas sichtbar und begehbar gemacht. Eine weitere Attraktion ist neben dem Haupteingang ins Theater — einer antiken Doppeltür — ein niedriger Durchgang mit kleiner Tür extra für die jüngsten Besucher, die sich freiwillig in die Schlange einreihen, um durch „ihre“ Tür gehen zu können.

Der Aufwand für die liebevolle Gestaltung und für die Qualität der Aufführungen hat sich gelohnt. „Unsere Gäste kommen vom ganzen Niederrhein, viele aus dem benachbarten Kempen und selbst aus Düsseldorf“, sind die Betreiber mehr als zufrieden. „Wir leben viel von unseren persönlichen Kontakten und der inzwischen gut funktionierenden Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Resonanz von Puppenspieler-Kollegen gebe es aus ganz Deutschland. „Sie bezeichnen unser Theater als Perle und kommen gerne zu Gastspielen wie gerade aus dem Schwarzwald.“ Auch das Ehepaar rückt selbst immer wieder zu Gastspielen aus und kommt so insgesamt auf etwa 250 Vorstellungen im Jahr. Den Tourneebetrieb in NRW bis in die Pfalz möchten sie aus familiären Gründen gerne reduzieren. Leider habe der Ganztagsbetrieb in Schulen und Kitas die Nachmittagstermine fast unmöglich gemacht.

Es gibt etwa 200 Puppenspieler in Deutschland und vielleicht 20 Puppentheater. Das Zubrot aus den Auswärtsspielen sei daher nötig, weil die Einnahmen sonst nicht ganz zum Leben ausreichen. Denn während der Sommerferien im Juli und August ist zwei Monate spielfrei. Dann werden neue Stücke eingeübt, Requisiten und Haus in Ordnung gebracht und neue Puppen gefertigt. Außerdem ist der September eher ein Saure-Gurken-Monat. Danach ist das Programm oft ausgebucht. Rechtzeitige Vorbestellungen sind empfehlenswert. Hauptspieltag für Kinder ist der Sonntag, für Erwachsene der Freitag und Samstag. Etwa 100 Kinder oder 70 Erwachsene passen ins Theater.

„Kinder brauchen Benimmregeln“, sagt Jabben und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „Die Eltern auch. Wir machen hier kein Halligalli für Kinder, während die Eltern auf dem Handy herumdaddeln, sondern haben den Anspruch, den Kindern die ersten Schritte in die Kulturwelt zu eröffnen. Damit es den Eltern nicht langweilig wird, bauen wir auch kleinere Szenen für sie mit ein.“

Woher kommen die Ideen? „Die Ideen für unsere Stücke setzen viel Lesen voraus“, berichten die Puppeneltern. Oft sind es die Inhalte wie Hass und Fanatismus bei Moby Dick, mitunter fesselt schon ein spannender Titel wie in „Der wunderbare Massenselbstmord“ die Darsteller wie die Zuschauer. „Der Wal im Rhein“ geht auf eine wahre Begebenheit zurück, als sich 1966 ein Wal in den Rhein verirrte und der Duisburger Zoodirekter erfolglos versuchte, ihn zu fangen. Die Vorbereitung einer neuen Abendveranstaltung dauert etwa ein Jahr. Die Kinder stehen auf bekannte Geschichten wie Michel aus Lönneberga oder Sterntaler. Ein Wermutstropfen für die Betreiber: Für die Rechte an den Büchern fallen stets zehn Prozent der Einnahmen an.

„Wir spielen nicht für, sondern mit dem Publikum — sprich live — und suchen die Begegnung mit ihm“, sagt Jabben. „Wenn die Leute mit roten Wangen und leuchtenden Augen aus der Vorstellung kommen, wissen wir, dass wir etwas bewegt haben. Als jetzt ein Heranwachsender als früherer Stammgast des Kinderprogramms seinen Eltern zu Weihnachten einen Gutschein für eine Abendveranstaltung geschenkt hat, um diese erstmals gemeinsam mit ihnen zu besuchen, war das auch für uns ein Geschenk.“

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