Polizei: Per Gentest dem Täter auf der Spur

Wie wichtig DNA für die Ermittler geworden ist, zeigt der Fall Jaqueline.

Krefeld. Freispruch. Acht Jahre nach dem gewaltsamen Tod der Prostituierten Jaqueline verlässt der Tatverdächtige den Krefelder Landgerichtssaal als freier Mann. Sein Geständnis hatte der Hamburger widerrufen, ließ durch einen Anwalt seine Unschuld beteuern. Nachzuweisen ist dem 43-Jährigen die Tat im April 1998 in einem Apartment am Winnertzhof nicht, denn der einst erhoffte Beweis durch den "genetischen Fingerabdruck" ist ausgeblieben. Das, was die Ermittler unter den Fingernägeln des Opfers gefunden und stets dem Täter zugerechnet hatten, "passt" schlicht nicht auf den Hamburger. Und das, obwohl es fast unmöglich ist, an einem Tatort nicht irgendetwas zu hinterlassen, was die Polizei für eine DNA-Untersuchung verwerten könnte. "Serologische Spuren" nennen die Ermittler das.

Die führen selbst Jahre später dazu, dass die Polizei Beweismittel zurückliegender Fälle aus der Asservatenkammer zum Landeskriminalamt (LKA) gibt und durch einen DNA-Abgleich den Täter fasst. Vergewaltigungen konnten dadurch ebenso geklärt werden wie Einbruchsserien. Im Jahr 2006 habe man durch einen Abgleich in der DNA-Analyse-Datei 57 Beschuldigte identifizieren können, macht Walter Domröse, Chef des Erkennungsdienstes im Krefelder Polizeipräsidium, deutlich. "Im gleichen Jahr wurden von 547 Beschuldigten Speichelproben genommen." DNA-Spuren - "für Kriminalisten heute eine große Möglichkeit, Straftaten zur klären", sagt er.

Eine Speichelprobe - sie verdient diesen Namen eigentlich gar nicht, weil aus dem Mundraum weniger Speichel als vielmehr abgestorbene Hautzellen entnommen werden sollen - müssen Tatverdächtige heute meist ebenso selbstverständlich abgeben wie ihre Fingerabdrücke. Allerdings nur bei bestimmten Straftaten oder Vergehen, wobei die untere Schwelle Eigentumsdelikte - etwa Einbrüche - darstellen. Bei Mord, Totschlag, Sexualstraftaten, Raub oder so genannten gemeinschädlichen Straftaten ist ein Eintrag in die Gen-Datei in jedem Fall sicher.

Viele Täter versuchen natürlich zu vermeiden, am Tatort DNA-Spuren zu hinterlassen. Welche Möglichkeiten der Erkennungsdienst am Tatort hat, erfahren sie dabei auch im Fernsehen. Serien wie "CSI" haben hohe Einschaltquoten, und an den Verfahren, die dort gezeigt werden, ist häufig etwas dran. Allerdings längst nicht immer: "Wir können nicht einfach irgendetwas Blaues in den Raum sprühen und sofort alles sehen", sagt Domröse schmunzelnd. Bei einem Mord beispielsweise dauert es schon mal Tage, bis der Erkennungsdienst seine Arbeit abgeschlossen hat.

Veränderungen in der Arbeit hat er in fast 30 Jahren bei den "Spusis", wie die Mitarbeiter der Spurensicherung von ihren Kollegen liebevoll genannt werden, schon so einige erlebt: "Früher sind wir mit einem Koffer los zum Tatort, hatten einen Rußpinsel und eine Plattenkamera. Heute gibt es für jede Spur einen eigenen Koffer", sagt der Erste Kriminalhauptkommissar. In seiner 16-köpfigen Mannschaft sind zwei Kollegen ausschließlich mit dem Bereich DNA befasst, trocknen Baktieretten mit Speichelproben und erfassen Spurensicherungsplättchen. Bei Verbrechen untersucht das LKA selbst die Proben, bei anderen Vergehen werden rechtsmedizinische Institute beauftragt. Das bedeutet vor allem viel Papierkrieg: "Das hier ist von 2006", deutet Domröse auf einen prall gefüllten Aktenordner.

DNA-Analyse-datei Bundesweit sind zurzeit 480 000 Datensätze gespeichert: 380 000 Personen und knapp 100 000 Spuren (NRW: 60 000 Personen und 17 000 Spuren). Seit dem Jahr 1998 werden hier kontinuierlich Daten ausgewertet.

Treffer Beim Abgleich der Daten unterscheiden die Ermittler in Spur-Personentreffern (wenn eine Probe einer Person zugeordnet werden kann) und Spur-Spur-Treffern (wenn eine Probe einer bereits anderen eingestellten zugeordnet werden kann).

Tatort-Arbeit Die Mitarbeiter der Spurensicherung versuchen am Tatort, sich in den Täter hineinzuversetzen und überlegen, wie er vorgegangen ist, um Spuren zu finden.

Untersuchung Die Spuren werden an das Landeskriminalamt geschickt, das entweder selbst untersucht oder ein Institut beauftragt. Die Ergebnisse kommen in Form eines Datenblattes zurück zum Krefelder Polizeipräsidium. In dem Papier sind acht so genannte Merkmalskomplexe angegeben (siehe Tabelle) und - sofern ein direkter Abgleich zwischen Spur und Körpermaterial des Täters möglich war - die Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung.

Erkennungsdienst Die Mitarbeiter, die am Tatort selbst Spuren sichern, sind in der Regel auch in der DNA-Datei erfasst. Schließlich können auch sie bei ihrer Arbeit einmal Spuren hinterlassen, die sich ihnen dann sofort zuordnen lassen.

Massenspeicheltests In solchen Fällen können durchaus 1000 und mehr Personen aufgefordert sein, eine Speichelprobe abzugeben. In Krefeld war dies der Fall, als im Mai 2005 ein totes Baby in einem Rucksack an der Ritterstraße gefunden worden war. Die Ergebnisse solcher Proben werden nicht gespeichert, nur zum Ausschluss benötigt und dann vernichtet.

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