Kabarett Pispers verunsichert sein Publikum

Gnadenlos und grandios seziert das Urgestein des politischen Kabaretts den Zustand der Republik.

Kabarett: Pispers verunsichert sein Publikum
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Unverblümt, knallhart und respektlos rechnet Volker Pispers am Freitagabend im ausverkauften Seidenweberhaus mit Politik, Reichen und Medien ab. Drei Stunden nimmt der Kabarettist sich Zeit, um die Verantwortlichen in der Republik mit all ihren Fehlern, ihrer Unbeholfenheit oder auch ihres absichtlichen Handelns genüsslich auseinanderzunehmen. Rhetorisch gewandt wie kaum ein Zweiter, formuliert er sein Anliegen in einer Schärfe und Eindringlichkeit, die vielen Besuchern den Atem raubt und die Sprache verschlägt.

Es ist fast ein Endzeitszenario, das einer der letzten Granden des politischen Kabaretts entwirft. Seine „Wahrheiten“ sind oft bitterböse, sein Urteil ist vernichtend. Doch er ist Bühnenprofi genug, um spät, aber nicht zu spät, mit einem Witz sein Publikum durch ein befreiendes Lachen wieder zu versöhnen. Seine Analysen sind schlüssig, belegt durch Zahlen aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire oder auch gewürzt mit gewagten Rechenoperationen.

Hauptzielscheibe sind die Politik und das Volk aufhetzende Medien. Alle großen Parteien machten ohne Ausnahme eine Politik, die den Menschen schade und die Reichen immer reicher mache. „Aber insgesamt 85 Prozent wählen dieses System.“ Wenn die Flüchtlinge nicht wären, wäre doch alles in Ordnung, höhnt er über eine hilflose Regierung. Ätzend auch sein Kommentar zu den Transitzonen: „Hoffentlich können wir die DDR-Mauerschützen noch umschulen, damit sie jetzt auf die schießen, die reinwollen.“ Für Pegida-Anhänger hat er seine eigene Definition: „Patriot setzt sich zusammen aus patria (Vaterland) und Idiot.“

Menschen, die Kopftücher als Bedrohung sehen, kann er nicht verstehen: „Ich denke, wir haben Religionsfreiheit? Ich fände es besser, wenn wir religionsfrei wären.“

Pispers keilt nach allen Seiten aus, kritisiert die unfähige Griechenland-Politik und die Doppelmoral. „Wir haben das Knowhow für Bein ab und Bein dran: Wir liefern Waffen und Prothesen.“

Statt Banken zu retten, solle man besser dafür sorgen, dass auf der Welt nicht täglich 50 000 Menschen verhungerten. Oder Lehrer einstellen, wovon die Jugend etwas hätte — die einzige Ressource. „Ich würde so gerne ja einmal Unrecht haben“, seufzt Pispers. Dabei rase die Welt auf den Abgrund zu, doch man halte den Zug nicht an, sondern wechsle nur den Zugführer.

Wie man es besser machen könnte, weiß er allerdings auch nicht. Vielleicht mit einem demokratischen Sozialismus ohne Stasi, sinniert Volker Pispers. Um zum guten Schluss zu fragen, was das Schlimmste für die Deutschen sei. „Wenn wir aussterben und es ist noch Rente übrig“, sagt er sarkastisch.

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