Erfahrungen eines Parkhaus-Wächters Parkhaus in Krefeld verkommt zur Drogenhöhle

Kot, Spritzen, Angst: ein Tiefgaragen-Wächter am Seidenweberhaus in Krefeld packt über seine tägliche Arbeit aus. Und zeichnet ein erschreckendes Bild von den Zuständen am Treffpunkt der Drogenszene.

Erfahrungen eines Parkhaus-Wächters: Parkhaus in Krefeld verkommt zur Drogenhöhle
Foto: abi

Krefeld. Markus Krämer (Name geändert) hat in den vergangenen fast 20 Jahren einiges gesehen. Im Schnelldurchgang wischt er auf seinem Handy von einem Foto zum nächsten: Auf dem ersten eine Ansammlung von Spritzen in einer Ecke, auf den nächsten sind menschliche Hinterlassenschaften zu erkennen — im Treppenhaus, vor einem Auto, auf einem anderen Spuren von Erbrochenem an einer Tür. Es sind Bilder der vergangenen Wochen, „die alten habe ich gelöscht, ich könnte jeden Tag neue machen“, sagt der Wächter des Parkhauses unter dem Seidenweberhaus.

Die Situation in unmittelbarer Nachbarschaft zum Theaterplatz, an dem sich Krefelds Alkohol- und Drogenszene trifft, ist seit Jahren stadtbekannt. Geändert hat sich daran nicht viel — „und wenn, dann ist es eher schlimmer geworden“, sagt Krämer. Denn seit drei Notausgänge vor einigen Jahren von außen mit Gittern verschlossen und mit Alarmanlagen gesichert wurden, um die Süchtigen aus den Treppenhäusern zu verbannen, habe sich das Problem bloß verlagert. „Seit die Junkies keinen Zufluchtsort mehr in den Notausgängen haben, um sich ihre Spitzen zu setzen, sind sie auf Parkebene zwei umgezogen“, sagt der Wächter und bittet die WZ, sich selbst davon zu überzeugen.

Aufsicht im Parkhaus unter dem Seidenweberhaus

Maria (Name geändert) ist eine von ihnen, die wir auf Krämers Rundgang durch die sonst menschenleere Tiefgarage treffen und die er längst beim Namen kennt. Zusammengekauert und mit glasigem Blick hockt sie mit Pfeife und Alufolie in einer Ecke und zeigt sich von Krämers freundlicher Bitte, das Parkhaus zu verlassen, unbeeindruckt. „Die ist mal mit meiner Tochter zur Schule gegangen, traurige Geschichte“, sagt der Parkhaus-Aufseher. Die unheimliche Atmosphäre auf Ebene zwei scheint sich auch unter Parkgästen herumgesprochen zu haben. Etwas mehr als 500 Autos haben auf Ebene zwei Platz — nicht mal 20 parken an diesem Tag dort. „Wenn die hier unten in Grüppchen unterwegs sind, dann ist die Situation unangenehm. Zum Glück ist noch nie etwas passiert“, sagt Krämer.

Denn für die Szene vom Theaterplatz ist die Einsamkeit der Tiefgarage umso einladender. Nicht nur Drogen werden hier konsumiert. „Jeden Tag müssen wir die vollgepinkelten Treppenhäuser reinigen und die Notdurft aus den Ecken wegmachen.“ Sicherheitskleidung? „Wir haben uns ein Kehrblech und Hundekotbeutel angeschafft.“ Krämer, der seinen richtigen Namen aus Angst vor Ärger nicht in der Zeitung lesen will, arbeitet wie seine Kollegen für einen Mindestlohn als Wächter im Seidenweberhaus-Parkhaus. „Wenn Polizei oder Ordnungsamt hier mal kontrollieren, dann sind sie immer zu zweit unterwegs. Wir sind als Parkhausaufsicht alleine und täglich Gefahren ausgesetzt. Was, wenn mal einer ein Messer dabei hat?“ Am schlimmsten sei die Spätschicht zwischen 14 und 22 Uhr, sagt er. „Einmal habe ich innerhalb von acht Stunden 80 Leute aus dem Parkhaus verscheucht.“ Täglich könne er die Polizei rufen. „Aber was bringt das?“, fragt Krämer resigniert.

Auch Parkhaus-Pächter Peter Gathen betont, er kämpfe seit Jahrzehnten mit der Situation. „Die Leidtragenden sind unsere Kunden und wir.“ Die Zusammenarbeit mit Polizei und Stadt funktioniere gut — „die tun, was sie können“. Einzig von den Strafbehörden wünscht er sich mehr Unterstützung: „In der Spitze haben wir 250 Leute mit Hausverbot, aber in der Strafverfolgung hat das keine Konsequenzen. Es gab bisher nicht ein einziges Verfahren.

Die Situation ist ausweglos.“ Auch Markus Krämer hat die Hoffnung, dass sich die Arbeitsbedingungen für ihn und seine Kollegen ändern, fast aufgegeben. Trotzdem wünscht er sich, „dass die Stadt die Verantwortung für das Parkhaus nicht wegschiebt und die Polizei häufiger kontrolliert“. Die täglichen Streifzüge des Sicherheitsdienstes reichten nicht aus — „die Junkies wissen, wann die Kontrolleure Feierabend haben“.

Die Stadt beteuert, ihren Part zu den Themen Sicherheit und Reinigung im Parkhaus zu leisten. Ein Sicherheitsdienst bestreife mehrmals täglich Tiefgarage und Treppenhäuser „und übt das Hausrecht aus“, erklärt Stadtsprecher Dirk Senger. Zudem werde „das Haupttreppenhaus morgens durch den Reinigungsdienstleister der Seidenweberhaus GmbH gereinigt, eine zweite Reinigung erfolgt an Veranstaltungstagen.

Die Parkebenen werden durch die Mitarbeiter des Parkhausbetreibers gereinigt.“ Dies sei Bestandteil des Vertrages und in einer Leistungsbeschreibung definiert. Da die Notausgänge ausschließlich von innen im Notfall zu öffnen seien, „ist die Verschmutzung marginal“, heißt es von der Stadt.

Aktuell plane der Fachbereich Tiefbau „die Einhausung des Treppenabganges neu“. In diesem Zuge könnte zunächst ein einzelnes Parkticket-Kartenlesegerät, das nur Ticket-Besitzern Zutritt zu Treppen- und Parkhaus ermöglicht, künftig das Problem lösen — wann das Gerät kommen soll, bleibt offen. „Ob und wie viele weitere Kartenlesegeräte als Zugangskontrolle zur Tiefgarage notwendig werden, hängt auch von der Grundsatzentscheidung ,Was passiert mit dem Seidenweberhaus?’ ab.“

Die Polizei erklärt derweil, sie habe infolge zahlreicher Bürgerbeschwerden zwischen August und November vergangenen Jahres mehr als 70 Mal zu Tages- und Nachtzeiten auf dem Theaterplatz sowie in den innerstädtischen Parkhäusern kontrolliert und dazu eine Sonderauswertung erstellt. „Uns ist bewusst, dass diese Menschen sich dort aufhalten“, sagt Polizeisprecherin Karin Kretzer, betont aber auch: „Unsere Möglichkeiten sind begrenzt — irgendwo müssen sie ja hin.“ Die Polizei nehme ihre Aufgaben sehr ernst. „Wenn Straftaten begangen werden, müssen wir etwas tun. Das machen wir seit zehn Jahren sehr intensiv“, sagt Kretzer. Allerdings: Das gesellschaftliche Problem löse die Polizei damit nicht.

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