Panik vor dem Urteil: Angeklagter auf der Flucht

Lange Gesichter am Dienstagmittag im Schwurgerichtssaal: Mohamad E. drückte sich vor der Urteilsverkündung.

Krefeld. Ein unverhofftes Ende nahm am Dienstagmittag die Hauptverhandlung gegen Mohamad E. vor der 2. Großen Strafkammer des Krefelder Landgerichtes. Der 34-Jährige nutzte eine halbstündige Beratungspause des Gerichtes, um sich aus dem Justizgebäude abzusetzen. Zuvor hatte er sich von seinem Verteidiger Jörg Hintzen in der Justiz-Kantine noch zu einem Orangensaft einladen lassen.

Vermutlich hatte das Plädoyer der Staatsanwältin den zigmal vorbestraften Drogenkonsumenten in Panik versetzt. Sie hatte fünf Jahre und drei Monate Freiheitsentzug sowie einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr beantragt - wegen schweren Raubes in zwei Fällen. E. soll vor anderthalb Jahren einen 71 Jahre alten Textilingenieur um 100 Euro und ein Handy und einen gerade aus der Haft entlassenen 36-Jährigen um 1380 Euro Überbrückungsgeld beraubt haben. Beiden soll der Angeklagte vorher das Schlafmittel Diazepam ins Glas getan haben.

Mohamad E. befand sich auf freiem Fuß. An allen drei Verhandlungstagen war er pünktlich im Schwurgerichtssaal erschienen. Sein Verteidiger hatte am Dienstag Freispruch wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen und fehlender Beweise beantragt und im Hinblick auf den beantragten Haftbefehl erklärt: "Wer als freier Mann kommt, kann auch als freier Mann gehen."

Offenbar glaubte der Angeklagte selbst nicht daran, dass er im Falle der als sicher anzunehmenden Verurteilung bis zum Haftantritt auf freiem Fuß geblieben wäre. Zumal ihn in Kürze ein Berufungsverfahren erwartet, bei dem es um zweieinhalb Jahre Haft geht. Die Addition der Strafen mag E. ebenfalls dazu getrieben haben, das Weite zu suchen. In seinem Schlusswort hatte er geschworen ("bei meinen Kindern"), unschuldig zu sein.

Um 12.10 Uhr erreichte Jörg Hintzen seinen Mandanten aus dem Gerichtssaal am Handy. "Sie kommen ja sowieso nicht weit. In fünf Minuten ist die Polizei in Ihrer Wohnung. Es gibt ja immer noch die Möglichkeit, in Ruhe zu reden." Dann zuckte er mit den Schultern und erklärte: "Mein Mandant kommt nicht."

"Da liegen wir mit unserer Entscheidung ja richtig", entfuhr es Richter Herbert Luczak. "Wir lassen ihn abgreifen. Ich will, dass er bei der Urteilsverkündung dabei ist". Theoretisch hätte das Urteil auch ohne Angeklagten verkündet werden können. Kurz darauf war der Haftbefehl erlassen, die Fahndung nach E. angelaufen. Doch der blieb verschwunden.

Tim Buschfort, der Sprecher des Landgerichtes, betonte auf Nachfrage, dass sich E. durch seinen Abgang nicht strafbar gemacht habe. Ob sich sein Verhalten später im Vollzug (etwa bei Freigängen und Hafturlaub) auswirkt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Weil die Justiz optimistisch ist, E. bald wieder zu haben, wurde der kommende Dienstag als Verkündungstermin festgelegt.

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