Krefeld Neuer Jugendamtsleiter: Ein Bayer mit Herz für Kinder

Der Münchener Markus Schön wird neuer Leiter des Jugendamts. Der WZ erzählte er, warum es ihn nach Krefeld verschlägt.

Ein Münchener in Krefeld: Markus Schön wird neuer Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung. Foto: abi

Ein Münchener in Krefeld: Markus Schön wird neuer Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung. Foto: abi

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Jetzt ist es offiziell: Bereits zum 1. April wird die Stelle des Jugendamtschefs neu besetzt. Mehr als 600 Kilometer trennen Krefeld und München, die Heimatstadt von Markus Schön. Der Hauptausschuss hat den 36-Jährigen, zuletzt kommisarischer Leiter des Jugendamts in der bayerischen Landeshauptstadt, am Donnerstag einstimmig als neuen Leiter des Fachbereichs Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung gewählt. Im Gespräch mit der WZ erzählt der Münchener, wie er die Kinder- und Jugendarbeit in Krefeld mitgestalten will.

Von den Bergen an den platten Niederrhein. Herr Schön, was hat Sie dazu bewogen, sich in Krefeld zu bewerben?

Markus Schön: Es gibt auch außerhalb Bayerns, selbst als Münchener weiß man das, noch andere schöne Regionen. Ich mache gerne an der Nordsee Urlaub. Es ist aber auch beruflich Zeit für etwas Neues. Ich bin in München geboren und aufgewachsen, habe immer dort gelebt. Die Stelle des Jugendamtsleiters in Krefeld bietet interessante Herausforderungen. Der Fachbereich umfasst Kitas genauso wie die Beschäftigungsförderung, so dass man für die Kinder, Jugendlichen und Familien von der Geburt bis zum Start ins Berufsleben verantwortlich in Betreuung und Versorgung ist. Da habe ich große Lust, an verantwortlicher Stelle etwas mitzugestalten.

Sie sind von Haus aus Jurist. Was treibt Sie in die Jugendarbeit?

Schön: Ich habe mich seit der Erstkommunion in der Jugendarbeit engagiert, da war noch gar nicht klar, dass ich mal Jura studiere. Das hat sich aber auch aus dem Freundeskreis heraus ergeben: Ich mache gerne Musik, das konnte ich in der Pfarrjugend gut ausleben. In der katholischen Jugendverbandsarbeit habe ich dann ehrenamtlich die klassische Laufbahn durchlaufen (siehe Infobox). Das Engagement in der katholischen Kirche hat mich auch politisiert. Ich habe mich für die Zusammenhänge unseres Zusammenlebens interessiert — und letztlich war das auch der Ausschlag für mich, Jura zu studieren. In der Zeit zwischen erstem und zweitem Staatsexamen habe ich meinen Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendhilferecht gelegt, mich sehr fundiert mit Rechten und Gesetzeslage in der Jugendhilfe beschäftigt und dazu auch wissenschaftlich publiziert.

Glaube spielt für Sie seit Ihrer Kindheit durchaus eine große Rolle — wie zeigt sich das heute in Ihrer Arbeit?

Schön: Ja, Glaube gibt mir Hoffnung und Kraft. Gerade bei der Arbeit im Jugendamt, wo man es auch mit sehr schwierigen Biografien zu tun hat. Da tut es dann schon gut, wenn man ein Fundament hat, aus dem man Kraft schöpfen kann, um weiter zu kämpfen.

Zuletzt haben Sie das Stadtjugendamt München stellvertretend geleitet. Welche Erfahrungen bringen Sie von dort mit?

Schön: Die große Herausforderung der vergangenen Jahre war für uns die Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Allein in 2015 hat das Jugendamt 10 000 in München ankommende Flüchtlinge betreut — allein 75 000 in den ersten Septemberwochen 2015. Mit dem Sozialreferat haben wir einen 24-Stunden-Familienversorgungsnotdienst am Hauptbahnhof eingerichtet. Da ging es um Kindesschutz, darum, Familien in extremen Situationen zu helfen, wenn etwa Kinder bei der Flucht von ihren Eltern getrennt wurden. Das ging nahtlos über in die nächste große Herausforderung, als wir uns in mehr als 8000 Fällen von unbegleiteten Minderjährigen unter Zeitdruck um die Kostenerstattung kümmern mussten — es ging um 240 Millionen Euro und es drohten Fristen abzulaufen. Was das Thema Controlling und Kostenerstattung durch Landes- und Bundesmittel angeht, habe ich in dieser Zeit einiges lernen können.

Ausgerechnet für Ihren Einsatz bei der Versorgung von Geflüchteten sind Sie in Ihrer Heimatstadt in die Schlagzeilen geraten. Der Vorwurf: Sie sollen am Stadtrat vorbei Verträge mit Sozialverbänden zur Betreuung von Flüchtlingen abgeschlossen und den Personalschlüssel verdoppelt haben — die Stadt kam das teuer zu stehen.

Schön: Mein Tun war immer davon geleitet, eine kinderschutzgerechte Versorgung minderjähriger Flüchtlinge sicherzustellen. Wir haben Verträge mit einem Betreuungsschlüssel von 1:5 modifiziert, um auf den Rückgang der Flüchtlingszahlen zu reagieren. Die Verträge, die in ihrer Ursprungsfassung lange vor meiner Amtszeit abgeschlossen wurden, waren auch nicht im Stadtrat, deshalb war das zum Zeitpunkt der Änderung weder für mich, noch für meine damalige Chefin, die Sozialdezernentin, ein Thema. Mittlerweile hat die Politik in München die Verträge zur Finanzierung inklusive Betreuungsschlüssel von 1:2,5 — im Übrigen im Kinderschutzstandard gängig — einstimmig abgesegnet. Der Betreuungsschlüssel von 1:5 war ein Notschlüssel für die Situation, als gar nicht genug Personal da war, um der Welle der ankommenden Flüchtlinge gerecht zu werden.

Trotzdem mussten Sie — vorübergehend — Ihren Posten räumen. War das ein Grund für Sie, München beruflich den Rücken zu kehren?

Schön: Ich verlasse München nicht im Groll. Die Situation war aber ein Grund für mich, beruflich die Fühler auszustrecken.

Welche Rolle wird die Integration jugendlicher Flüchtlinge künftig hier spielen?

Schön: Eine ganz zentrale Rolle. Das fängt bei der Frage an: Mit welchen Bildungsangeboten kann man Integration leisten? Angefangen mit Sprachkursen, über die Schulversorgung, es muss Gespräche mit Betrieben und Wirtschaftsverbänden geben, wie man die Leute in Ausbildung bringen kann. Ich sehe es als Verpflichtung des Jugendamtes, sicherzustellen, dass es hier viele Begegnungsmöglichkeiten mit einheimischen Kindern und Jugendlichen gibt — in Sportvereinen, im kulturellen Bereich. Der Kinderschutz steht bei allem im Vordergrund. Es ist unsere Aufgabe, das immer wieder zu betonen — etwa in Gesprächen mit dem Ausländeramt, wenn es um die Bleibeperspektive geht.

Fast jedes vierte Kind lebt in Armut, Krefeld liegt über dem NRW-Schnitt. Der OB hat den Kampf gegen Kinderarmut auf seine Agenda geschrieben. Wo wollen Sie ansetzen?

Schön: Etwas Besseres kann nicht passieren, als dass eine Stadt dieses Thema zur Chefsache macht. Die Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene sind eingeschränkt — wir können nicht den Regelsatz beim Arbeitslosengeld I oder Hartz IV erhöhen. Aber das Konzept „Kein Kind zurücklassen“, für das Krefeld Modellstadt ist, ist ein gutes Instrument, um Jugendhilfe, Kinderbetreuung, Bildung und Gesundheitswesen zu vernetzen. Armut ist immer auch Folge fehlender Bildung. Die Chance des Konzeptes liegt darin, Kinder und Jugendliche da anzusprechen, wo man sie finden kann und mit ihnen zu arbeiten, um Bildungsgerechtigkeit herzustellen.

Welche weiteren Schwerpunkte wollen Sie in Krefeld in der Jugendarbeit setzen?

Schön: Einen wesentlichen Schwerpunkt sehe ich beim Thema Partizipation. Passend dazu wird sich der Jugendbeirat bald neu aufstellen. Ich glaube: Partizipation gelingt, wenn man feste Strukturen durch Verbände hat. Ich möchte gucken: Wie ist Krefeld da aufgestellt und was kann man noch besser und verbindlicher gestalten, um junge Menschen an Demokratie und politische Bildung heranzuführen.

Krefeld ist spannend — aus beruflicher Sicht, vielleicht sogar ein Kulturschock. Was reizt sie privat?

Schön: Kulturschock — ja, aber im positiven Sinn, ich werde viel Neues kennenlernen. Die Stadt ist grün, man kann hier sehr schön leben. Das erste Jahr möchte ich pendeln, aber dann kann ich mir vorstellen, mit meiner Familie nach Krefeld zu ziehen. Die Leute sind sehr nett, ich fühle mich hier warmherzig aufgenommen. Wenn man einen Bayer in Krefeld integrieren kann, dann klappt das auch mit den Geflüchteten.

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