Führungen Nacht der Industrie: Von Abfall und Superabsorbern

Bei der „Langen Nacht der Industrie“ erhalten die Besucher interessante Einblicke.

Krefeld. Es ist 17.30 Uhr, und hunderte Menschen deutschlandweit steigen in Busse, die sie zu einem Industriestandort bringen. Bei der „Langen Nacht der Industrie“ öffnen Unternehmen mit Einbruch der Dunkelheit ihre Tore und zeigen, was sich tagtäglich dahinter abspielt. Das Konzept erinnert an die „Sendung mit der Maus“, nur eben viel greifbarer, weil die Menschen tatsächlich vor Ort sind. Am Mittwochabend sind es in Krefeld Gruppen um die 20 Personen, die durch die Industriestandorte geführt werden. Mit dem Bus werden die Besucher zu zwei Unternehmen gefahren.

Als erstes stoppt er bei der Entsorgungsgesellschaft Krefeld (EGK). Das Hauptthema hier: Abfall. Denn der wird in der Müllverbrennungsanlage im großen Stil vernichtet. Rund 340 000 Tonnen im Jahr fallen den Flammen zum Opfer. Neben dem klassischen Hausmüll werden bei der EGK auch Klärschlamm, aus der eigenen Wasseraufbereitung, und sogar Abfall aus Großbritannien verbrannt. „Wir haben hier einfach die Kapazitäten dazu, die Briten sind da noch nicht so weit“, erklärt Hermann-Josef Roos, Geschäftsführer der EGK, in seiner Präsentation zu Beginn.

Die lange Nacht der Industrie in Krefeld
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Die lange Nacht der Industrie in Krefeld

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Zusammen mit den Zahlen, Daten, Fakten werden den Besuchern kleine Häppchen und Getränke serviert. Einige Besucher nutzen die Gelegenheit, um viele Fragen zu stellen.

Andere wiederum möchten den einleitenden Teil schnell hinter sich bringen und endlich die Müllverbrennungsanlage besichtigen. Der Zeitplan ist straff ausgelegt, also schnell die Gruppe mit Warnweste, Helm und Schutzbrille ausgestattet und los geht’s.

Die Führung leiten die ehemaligen EGK-Mitarbeiter Harry Müller und Hans-Joachim Vogt, die auf eine Jahrzehnte lange Berufserfahrung zurückblicken. „Unsere Ruheständler, die nicht wirklich im Ruhestand sind“, erklärt Roos.

Das erste Highlight ist der Müllbunker. Ein gigantischer, 14 Meter tiefer Schlot, in den der Müll gekippt wird. Vogt fordert zum Schnuppern auf: nichts. „Wir halten den Bunker kontinuierlich im Unterdruck. Hier riecht nichts, und Staub kommt auch keiner raus“, erklärt Vogt. Die Luft aus dem Bunker würde direkt für den Verbrennungsprozess genutzt. Was verbrannt wurde, landet im Aschebunker. Auch hier werden die Besucher hingeführt. Von den 100 000 Tonnen Rostasche, die im Jahr anfallen, seien gut zehn Prozent Metall, die der Industrie zurückgegeben werden.

Als nächstes geht es hoch in den dritten Stock. Zum Glück passen alle Mann in den Aufzug. Das Ziel: das gläserne Kranführerhäuschen, von dem man einen hervorragenden Blick über den Müllbunker hat.

Erst jetzt werden die enormen Ausmaße deutlich. Ein Mitarbeiter bedient den gewaltigen Kran. „Ist schon faszinierend, wie dieser Greifer mal eben 4,5 Tonnen Müll aufnimmt“, findet Uwe Mosmüller, der zum ersten Mal an der „Langen Nacht der Industrie“ teilnimmt. Am Ende dürfen die Besucher sogar noch in der Leitwarte vorbei schauen und einen Blick in den Kessel werfen, in dem unerbittlich ein Feuer tobt und der Tag und Nacht mit Müll gefüttert wird.

Nach gut eineinhalb Stunden ist die Führung schon vorbei. Also schnell die Schutzausrüstung ausgezogen und zurück zum Bus. Das nächste Unternehmen wartet schließlich schon.

Bei Evonik geht es auch mit einer Präsentation los. Im Mittelpunkt steht hier der Superabsorber. „Wir haben hier so einen Scherz“, sagt Standortleiterin Kerstin Oberhaus. „Zweimal im Leben begegnen sie uns, am Anfang und am Ende.“ Dabei hält sie eine Babywindel hoch und ein Modell für Senioren. Denn der Superabsorber kann locker das 50-fache seiner Masse an Urin binden. Bei destilliertem Wasser ist es sogar das 500-fache.

Das ermöglicht Windelherstellern heute, dünne, komfortable und trotzdem sehr aufnahmefähige Windeln zu produzieren. Wie gut das funktioniert, wird den Besuchern spätestens nach einer Vorführung klar. Die Teilnehmer Bernd Groß und Doris Köllen mixen etwas Superabsorber mit einem guten Liter gefärbtem Wasser und siehe da, nach ein paar Sekunden steht der Löffel senkrecht im Glas — beeindruckend.

Und es geht noch weiter: Unter dem Namen Stockosorb vertreibt Evonik einen speziellen Superabsorber, der Wasser im Boden bindet und es dann gleichmäßig wieder abgibt. „Mit Superabsorber gegen die Dürre“ lautet der dazugehörige Werbespruch. Nach dem Experiment mit dem Superabsorber ist die Stimmung gelöst.

Ein schneller Snack, einen Schluck trinken, dann führen die Mitarbeiter Rui Miguel Paz und Christian Speyerer einen Teil der Anwesenden ins Forschungslabor. Der andere Teil geht in die Produktion. Vor dem Labor sind alle Produkte, in denen Superabsorber enthalten ist, aufgereiht. Paz erklärt die Entwicklung der klassischen Babywindel anhand von verschiedenen Modellen.

Im Labor selbst stehen verschiedene Apparaturen, die alle nur ein Ziel haben: die Qualität von Babywindeln zu testen. Dafür haben sich die Forscher bei Evonik die unterschiedlichsten Tests ausgedacht. Es werden die Urinaufnahmezeit und die Flüssigkeitsverteilung in der Windel untersucht und die Effektivität der Windelkonstruktion unter die Lupe genommen. „Ich studiere Chemie, deshalb ist mir der Superabsorber ein Begriff, aber außerhalb der Uni war ich noch nie in so einem Labor. Jetzt konnte ich mal sehen, wie so etwas hier abläuft“, berichtet Alina Schäfer nach der Führung.

Auch das Feedback der anderen Teilnehmer der „Langen Nacht der Industrie“ fällt positiv aus. Es war ein unterhaltsamer Abend voller interessanter Erfahrungen.

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