Mithör-Affäre: Prozess droht zu platzen

Die Verteidiger wollen das Verfahren gegen Zuhälter G. in einer anderen Stadt neu aufrollen.

Krefeld. Die Atmosphäre im Landgericht ist an diesem Montag etwas anders als sonst - angespannter. Pressesprecher Tim Buschfort hat kurz vor 9 Uhr im Zuschauerbereich des Saales 157 Platz genommen: Der erste Fortsetzungstag nach Bekanntwerden der Mithör-Affäre. Auf der Anklagebank sitzt - wie seit einem Monat - der Zuhälter G., türkischer Abstammung und in Duisburg-Marxloh geboren. Der schlimmste Vorwurf gegen ihn: Vergewaltigung von mindestens einer seiner drei Prostituierten, die ihm an jedem Arbeitstag 800 Euro überwiesen haben sollen.

Es kommt, wie es kommen musste: Rechtsanwalt Matthias Meier aus Dortmund ist vor G., dem Angeklagten mit dem Lagerfeld-Zopf, im Gerichtssaal. Es folgt der obligatorische Bruderkuss zwischen Mandant und Verteidiger, den sein Kollege Dieter Kaufmann, der noch im Stau steckt, später nachholen wird.

Meier hat inzwischen die WZ vom vergangenen Freitag und Samstag auf dem Tisch liegen. Er weiß um die Mithör-Affäre, er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Herbert Luczak, Vorsitzender der 2. großen Strafkammer, beteuert, nichts von den eingeschalteten Mikrofonen über der Raucherecke vor dem Eingang des Landgerichts gewusst zu haben. "Am Mittwoch hat mich Rechtsanwalt Stefan Jelacic informiert." Er vertritt eines der Opfer.

Zuvor war es bei einem TV-Interview unter der Überwachungsanlage mit Amtsgerichtssprecher Wolfgang Thielen zu einer Rückkoppelung gekommen. Der Kameramann fragte den Richter: "Kann es sein, dass Sie von oben bis unten verwanzt sind?"

Aber die Hauptverhandlung, in der die aussagefreudigste Prostituierte bis Montag 15 Uhr angehört wird, unterbricht der Kammervorsitzende nicht. Den Verteidigern, zu denen eigentlich noch ein dritter (aus Essen) gehört, räumt er Zeit für ihren Befangenheitsantrag ein. "Sie sollen Zeit und Ruhe haben, den Dingen nachzugehen und alles zu erforschen."

Die Prostituierte verrät unter Ausschluss der Öffentlichkeit weitere Details der Gemeinheiten, die ihr der Lude angetan haben soll. Sie ist nach dessen Inhaftierung weiter bedroht worden und im Zeugenschutzprogramm.

Wenn die Krefelder Justiz den Prozess an ein anderes Landgericht abgeben muss, werden die Anwälte nicht unglücklich sein. Dass der Fall am Nordwall verhandelt wird, ist sowieso eher ein Zufall: G. hatte einen Wohnsitz an der Glockenspitz angemeldet.

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