Interview Martin Linne will Neubau auf Theaterplatz

Dezernent fordert Hotel in Mitte, findet Standort Bahnhof und Kesselhaus für Veranstaltungen charmant und entgegnet SPD-Chef: „Stadt ist kein Immobilienvernichter.“

Interview: Martin Linne will Neubau auf Theaterplatz
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Krefelds Bau- und Planungsdezernent Martin Linne ist ein Freund klarer Worte. Im WZ-Interview positioniert er sich für einen Neubau auf dem Theaterplatz, neuen Wohnraum gegen den Schrumpf-Effekt und die Auslagerung des Gebäudemanagements in einen Eigenbetrieb. Linne macht deutlich, warum die Pläne des Investors Gerald Wagener für den Theaterplatz so nicht funktionieren können, das Kesselhaus und das Grundstück am Südausgang des Hauptbahnhofs charmante Veranstaltungsstandorte wären und dass er sehr bald mit SPD-Chef Ralph-Harry Klaer diskutieren möchte, der die Stadt zuletzt als „Immobilienvernichter“ bezeichnet hat.

Herr Linne, Sie sind kein Freund des Seidenweberhauses. Kann man das so sagen?

Martin Linne: Es steht schlicht falsch, ist ein Prototyp einer Beton-Architektur für die autogerechte Stadt und wurde nach Kriterien gebaut, die sich mir nicht erschließen. Für Kongresse heute völlig ungeeignet, steht es da wie ein Hemmkeil zwischen kulturellem Leben und der lebendigen City. Alle Terrassen sind nach Nordosten ausgerichtet. Als ich in Krefeld ankam, bin ich ins Parkhaus gefahren und auf der Suche nach dem Entree um das Seidenweberhaus gelaufen. Ich konnte nicht glauben, dass dieses „Mauseloch“ der Eingang zu Krefelds guter Stube sein soll.

Sanierungsbedarf 25 Millionen Euro. Lohnt sich das?

Linne: Ich bin für eine komplett neue Lösung. Dabei ist eines klar: Eine Kommune kann eine solche Stätte nicht kostendeckend betreiben. Es sind mehrere Varianten in der Diskussion, alle haben etwas für sich. In jedem Fall brauchen wir in der Stadtmitte ein gutes Hotel in Kombination mit Dienstleistung und Gastronomie.

Der Krefelder Unternehmer Gerald Wagener hat alte Pläne ausgegraben, eine Kombination von Hotel und Kongresszentrum. Er stellt aber den Anspruch, nicht in einen Wettbewerb treten zu müssen.

Linne: Das wird so kaum funktionieren. Das ist auch nach europäischem Vergaberecht unmöglich. Außerdem braucht Krefeld nicht nur „eine“, sondern die „beste“ Lösung.

Sympathien für die Pläne von Herrn Leendertz, aus dem Kesselhaus eine alternative Veranstaltungshalle zu machen?

Linne: Ja, durchaus. Dieser Standort hat Charisma. Eine Veranstaltungsimmobilie kann durchaus außerhalb der City stehen. Dieser Projektansatz hat eigenständige Vorteile, aber auch der Bahnhof liegt idealtypisch. Am Theaterplatz brauchen wir meiner Überzeugung nach einen Neubau, mit dem wir die Kante zum Ostwall schließen. Gegebenenfalls auch mit integriertem Bürgerservice und Außengastronomie in Süd-West-Richtung, auf die immer die Sonne scheint. Nicht wie zuletzt aufs Hexagon. Die Leute sollen regelmäßig an diesen Ort kommen, es wäre auch ein idealer Standort für einen Wochenmarkt. Zudem würden Theater und Mediothek richtig ins Blickfeld rücken.

Das nächste Pfund für die City könnte der Schwanenmarkt werden, wenn es Fortschritte in der Verhandlung mit Investor Schapira gäbe. Wir haben langsam den Eindruck, die Sache sei beweglich wie ein Kachelofen.

Linne: Da kann ich beruhigen: Es gibt keine verhärteten Fronten. Schapira klagt eben gegen die Unterschutzstellung des Schirmhauses, das den Krefeldern Identifikation für den Standort gibt. Aber das ist kein atmosphärisches Problem. Es wird eine Entscheidung geben, mit der wir dann arbeiten müssen.

Das klingt nicht sehr kämpferisch. Auch die bislang vorgesehene austauschbare Glasfassade wäre besonders am Schwanenmarkt stadthistorisch nicht gerade ein Gewinn.

Linne: Ich kann die Wünsche der Öffentlichkeit und der Politik ja verstehen, aber die Fassade ist eben nicht Gegenstand von Planungsrecht. Dennoch arbeiten wir an einer guten Lösung, leisten viel Überzeugungsarbeit und sehen auch identitätsstiftende Nutzungschancen für das Schirmhaus. Das könnte ein Marketingfaktor für den Schwanenmarkt sein.

Fehlt Krefeld da eine Gestaltungssatzung, wie sie etwa in den Niederlanden ganz verbindlichen Charakter hat?

Linne: Auch damit bekämen Sie die Fassadenpläne einzelner Investoren in einer heterogenen City nicht gefasst. Hilfreich ist so etwas zur Homogenisierung von Neubau-Siedlungen. Das realisieren wir derzeit zum Beispiel am Krützboomweg und bereiten das auch für Fischeln-Südwest vor.

Was versprechen Sie sich von der kulturhistorischen Analyse des Krefelder Baubestandes, für die es bald eine Ausschreibung geben soll?

Linne: Die Kenntnis der historischen Entwicklung ist ganz wichtiges Element für zukünftige Planungen. Was unterstützt zum Beispiel die Wälle, die Nord-Süd-Achsen? Damit vermitteln wir unsere eigenständigen, unverwechselbaren Werte. Eine solche Analyse bildet zusammen mit der Fortentwicklung eines Leitbildes, á la Junker & Kruse, eine gute Abwägungsgrundlage. So etwas würde die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen unterstützen.

Reden wir nicht von Neubauten, sondern vom Bestand. Grad in der City. Experten bemängeln, dass Kommunen mehr auf Sanierung und Charaktererhaltung setzen sollten. Sie beklagen den sogenannten Donut-Effekt: am Rande dicht besiedelt und innen hohl.

Linne: Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Viele Städte haben ihre Citys über Jahrzehnte vernachlässigt. Krefeld auch. Es ist aber auch eine Kärrner-Arbeit, mit den Haus-Besitzern auf eine Linie zu kommen. Beispiel Lindenstraße, da sind wir seit Jahren in der Debatte, die Immobilien stehen immer kurz vor der Zwangsversteigerung. Das ist eine Frage von Bewusstsein.

Und das haben Krefelds Hausbesitzer nicht?

Linne: Zunächst mal gibt es verständliche Eigeninteressen, die nicht automatisch in der Investition in die eigenen Immobilien liegen. Aber es gibt auch gute Beispiele, in denen es gelingt, mehrere Besitzer dazu zu bekommen, gemeinsam etwas zu unternehmen. Wie am Alexanderplatz, am Corneliusplatz und an der Corneliusstraße, und natürlich in der Alten Samtweberei. Diese guten Beispiele sollten Anreiz sein, zumal wir in der City sowohl beraten als auch fördern können. Bis heute bereits mehr als 60 private Gebäude.

Krefeld schrumpft, wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Linne: Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen, unsere Wohnungsbauleistung innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 2500 neue Wohnungen zu verdoppeln. Das ist landesweit, aber auch für Krefeld zwingend notwendig, sonst hat es fatale Folgen. Krefeld schafft derzeit nur die Hälfte des eigenen Bedarfs, der Kreis Wesel im Vergleich dazu liegt bei 160 Prozent. Das zeigt, dass wir neben den Bestrebungen, den Bestand zu pflegen, natürlich bauen müssen. Potenziale gibt es genug, zum Beispiel in Fischeln-Südwest, der Forstwalder Kaserne, an der Fetten Henn oder am Wiesenhof.

Wie fatal genau sind die Folgen?

Linne: Wenn wir schrumpfen, wird jegliche infrastrukturelle und jede umlagefinanzierte Leistung auch ohne Verbesserung teurer. Das muss sich jeder klar machen. Schmerzlich spüren das auch die Einzelhändler in den Nebenzentren und die Vereine.

Aus Düsseldorf fließt eine Menge Geld: Ist das die Chance?

Linne: Sicher. Im Rahmen von Stadtumbau West ist noch mehr Städtebauförderung zu erwarten, eine Verlängerung um fünf Jahre bis 2023 ist wahrscheinlich. Für Uerdingen streben wir den frühestmöglichen Förderbeginn an. Wir haben da ein gutes Standing. Dazu fließen allein 30 Millionen Euro im Rahmen von „Gute Schule“ zusätzlich für unsere Bildungseinrichtungen.

Das klingt prima, lässt sich aber kaum umsetzen. Architekten können sich in diesen Tagen ihre Jobs aussuchen, weil alle Städte Fördermittel verbauen dürfen.

Linne: Das ist richtig. Aber wir sind ja dabei, die Voraussetzungen zu schaffen, damit aus der Kernverwaltung heraus alles koordiniert werden kann. Es gibt insgesamt zwölf neue Stellen im Gebäudemanagement und drei im Schulbereich für das Programm „Gute Schule“. Die sind allerdings dank der Arbeitsmarktlage gar nicht so einfach zu besetzen.

Apropos Architekten: Es gibt immer wieder Kritik an der Konzeption des Krefelder Gestaltungsbeirates, der ausschließlich mit Krefeldern besetzt ist und strikt nicht-öffentlich tagt. Tenor: Da entscheiden Krefelder Architekten hinter verschlossenen Türen über ihre eigenen Projekte.

Linne: Das sehe ich völlig anders. Es ist richtig, dass in diesem Fachgremium nicht-öffentlich beraten wird, ansonsten wäre das eine Jahrmarktbude. So ist eine offene Diskussion möglich. Ich bin froh über die engagierten Krefelder Architekten, die das allesamt ehrenamtlich machen. Auswärtige müssen die Krefelder Rahmenbedingungen kennen und letztlich auch honoriert werden.

Eine Frage noch zum Mega-Projekt „Anstalt öffentlichen Rechts“. Funktioniert ein Gebäudemanagement nach einer Auslagerung besser? SPD-Chef Ralph-Harry Klaer hatte die Stadt kürzlich bei der WZ-Podiumsdiskussion „Krefeld hautnah“ im Mies van der Rohe-Businesspark als „Immobilien-Vernichter“ bezeichnet.

Linne: Den Vorwurf kann ich in unserer aktuellen Situation absolut nicht nachvollziehen und würde gern den Kontext mit Herrn Klaer diskutieren. Klar ist, das in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig in die Substanzerhaltung investiert wurde, bundesweit, aber eben auch in Krefeld. Dies gilt es auszugleichen und daran arbeiten wir, seit wir den Nothaushalt verlassen haben. Wir befinden uns in einer zielorientierten Umbruchphase und müssen verschiedenste Themen gleichzeitig managen, damit uns dies gelingt. Die Umgestaltung des Gebäudemanagements in einen Eigenbetrieb ermöglicht dabei neben organisatorischen Vorteilen vor allem auch endlich eine verbindliche Planung über mehrere Jahre hinweg, ohne ein vielfaches „Vor und Zurück“ unter anderem aus haushalterischen Gründen. Daher bin ich überzeugt, dass die zentrale Aufgabe des Gebäudemanagements in einer entsprechenden Rechtsform auf Dauer deutlich besser gelingen kann.

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