Männer sind oft machtbesessen

Christiane Brunn leitet das Werk der Bahn in Oppum. „Mitarbeiter brauchen Raum für eigene Entscheidungen“, sagt die 33-Jährige.

Krefeld. Christiane Brunn pflegt eine klare Sprache. "Am Anfang war es hier nicht immer einfach", sagt die Leiterin des Instandhaltungswerkes der Bahn in Oppum. "Mir wurde es von einigen als Schwäche ausgelegt, dass ich Mitarbeitern zutraue, Krisen auch ohne Chef zu bewältigen", erzählt die 33-Jährige. Das Problem habe sich inzwischen erledigt. "Meine Leute wissen, dass ich ihnen Spielraum für eigene Lösungen lasse. Und ich fahre gut damit."

Seit 2007 leitet Brunn als Nachfolgerin von Nicole Friedrich den traditionsreichen Bahnbetrieb im Krefelder Osten. Mit einer Chefin zu arbeiten, sei für die Beschäftigten also nicht neu gewesen. Trotzdem hatte Brunn zu kämpfen, musste Skeptiker überzeugen. "Ich bin Betriebswirtin, keine Ingenieurin. Das gab es an der Spitze dieses Werkes noch nie."

Dass ihr das detaillierte Technikwissen fehlt, empfindet die Managerin nicht als Nachteil. Sie nähere sich den Themen über die Menschen. Es gehöre zu ihren Stärken, sich so rasch in die Zusammenhänge einarbeiten zu können. "Wenn jemand seinen Job nicht im Griff hat, dann merke ich das."

Führen Frauen anders als Männer? "Meistens schon", antwortet Brunn. "Frauen sind nicht so machtbesessen wie Männer." Das Zwischenmenschliche sei Frauen wichtiger. Männer hätten nur das Ergebnis im Blick, Frauen achteten auch auf den Weg dorthin, hätten das Team im Blick. "Auf Dauer zahlt sich das aus", ist Brunn überzeugt. Nach einer kurzen Pause schiebt sie allerdings hinterher: "Aber Männer haben oft mehr Biss, sind egoistischer, das hilft der Karriere."

Erstaunen rief die neue Chefin hervor, als sie 2008 für knapp sechs Monate ausstieg, um sich in der Elternzeit um ihren Sohn zu kümmern. Inzwischen ist der Nachwuchs zwei Jahre alt und wird von Brunns Mann betreut, der ebenfalls für einige Monate Elternzeit in Anspruch nimmt. "Weder mein Partner noch ich möchten den Beruf aufgeben", sagt Brunn. Ohne ein dichtes Netzwerk aus Kindertagesstätte und Großeltern sei das nicht zu machen. "Zum Glück wohnen wir alle in Mönchengladbach."

Brunns Arbeitstag in Krefeld beginnt gegen acht Uhr. "Und vor 18 Uhr ist selten Schluss", sagt sie. Etwa 800 Menschen arbeiten im Oppumer Werk, das die Bahn 1892 errichtet hat. Seit 2003 findet hier unter anderem die schwere Instandhaltung aller ICEs statt.

Konkret heißt das: Im Rhythmus von etwa drei Jahren kommen die Züge nach Oppum. Binnen zwei Wochen werden sie komplett zerlegt und runderneuert wieder auf die Strecke geschickt. Brunn räumt ein, dass die Risse in den Rädern und Achsen der ICEs nachhaltig am guten Image der Hochgeschwindigkeitszüge gekratzt hätten. "Wir kontrollieren heute schon nach einer Laufleistung von 30 000 bis 60 000 Kilometern, zehnmal häufiger als früher", erläutert Brunn. Trotzdem würden alle ICEs im nächsten Jahr mit Rädern und Achsen aus einem veränderten Material ausgestattet.

Während die Bahn-Managerin dieses Problem auf die Herstellerfirmen schieben kann, muss sie bei der Tür, die ein ICE vor einigen Monaten bei voller Fahrt verloren hat, im eigenen Unternehmen kehren. "Die Deutsche Bahn hat auf den Einzelfall reagiert, um ähnliche Vorfälle künftig auszuschließen", sagt Brunn. Über Details des peinlichen Vorfalls möchte sie nicht sprechen.

Die Frage nach Freundschaften und Fitness lässt Brunn nachdenklich werden. "Man selbst kommt ein wenig zu kurz", meint sie schließlich. "Früher habe ich zum Beispiel viel Basketball gespielt, das schaffe ich heute nicht mehr."

Zeit für ihren Lieblingsverein Borussia Mönchengladbach findet sie dennoch. "Mein Mann und ich haben Stehplatz-Dauerkarten in der Nordkurve", erzählt sie. "Das sorgt für Bodenhaftung pur, auch wenn wir längst nicht jedes Spiel sehen können." Fußball sei auch im Werk immer ein großes Thema. "Als Gladbach-Anhänger bin ich hier aber in der Minderheit", sagt sie. Es gebe mehr Schalke-, Dortmund- und Köln-Fans. Einige hielten auch dem KFC die Treue.

Und wer wird Fußball-Weltmeister? Brunn ist sicher, dass die Deutschen es schaffen - trotz der Pleite gegen Serbien. "Deutschland ist eine Turniermannschaft und wird die fehlende Erfahrung mit jugendlichem Elan wettmachen."

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