Loveparade: Die Angst um Tochter Anna

Teilnehmer aus Uerdingen berichten über die schrecklichen Szenen am Samstag in Duisburg.

Krefeld. "Wir wissen nicht, wo Anna ist, aber sie lebt." Über eine SMS, einer Textnachricht auf dem Handy, hat sich Anna Krüger (18) am späten Samstagnachmittag bei ihren Eltern Michael und Heike gemeldet.

Das Uerdinger Ehepaar war nach den schrecklichen Nachrichten aus Duisburg mit dem Wagen schon unterwegs dorthin, um Anna zu suchen. Doch nach der SMS machen sie wieder kehrt und warten gegen 19.30 Uhr am Bahnhof in Uerdingen.

"Wir sind froh, dass sie da heil raus gekommen ist, aber über die Veranstalter wird noch zu reden sein", ist Michael Krüger sichtlich erregt. Seine Frau Heike: "Wir hatten solche Angst, als wir davon hörten."

Großvater Wolfgang Bongartz, vor wenigen Tagen erst mit einem Schlaganfall in die Klinik eingeliefert, hatte von einem Pfleger von der Katastrophe gehört und seine Kinder verständigt.

Immer wieder richten der 47 Jahre alte Hauptbuchhalter und die SWK-Straßenbahnfahrerin (48) ihre Blicke auf den Bahnsteig. Die Minuten vergehen bleischwer. "Wir wissen ja auch nicht, wie Anna und ihr Freund Axel das alles überstanden haben."

Dann der erlösende Anruf von Anna. Die beiden sitzen im Zug Richtung Krefeld. Und der Zug rollt. Michael Krüger hält es nicht mehr unten am Bahnhof. Er sprintet hoch zum Bahnsteig. Noch ein paar Minuten, dann hört man die eintreffenden Waggons. Und oben am Bahnsteig schallt es laut und bis unten hörbar "Anna, Anna".

Erlösendes Aufatmen bei Mutter Heike. "Sie ist da, Gott sei Dank. Oh, wie bin ich jetzt froh." Und stolz kommt der Vater mit Tochter und "Schwiegersohn" Axel (17) aus dem Tunnel.

Sie fallen sich in die Arme. Tränen fließen. Anna und ihr Freund sind dem Inferno entronnen und haben nur leichte Blessuren davongetragen: Prellungen und eine Schnittwunde am Fuß.

Michael Krüger drückt seiner Tochter das Telefon in die Hand. "Ruf bitte sofort Opa im Krankenhaus an, damit er sich beruhigt." Anna versichert Opa Wolfgang, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht.

"Nie wieder Love-Parade", versichert die Schülerin der Kurt-Tucholsky-Gesamtschule und erzählt, dass sie nur haarscharf davon gekommen sind. Etwa um 16 Uhr am Samstag waren sie im Tunnel, wo es eine halbe Stunde später zu den tragischen Ereignissen kam.

Anna: "Es war ein schreckliches Gedränge, ein Durcheinander, es gab Unfälle, Schlägereien, Zäune wurden umgerissen, Krankenwagensirenen heulten, man drängte sich von Sperre zu Sperre. Die Security schien mir völlig überfordert mit den Menschenmassen."

Annas Freund, der Azubi Axel: "Die Leute versuchten an den Seitenwänden und an Stangen hochzuklettern, lagen unter- und übereinander, man bekam keine Luft mehr. Besoffene drängten immer weiter nach vorne. Es war das absolute Chaos."

Es gelang den beiden trotzdem, auf das Gelände der Parade zu kommen, wo es im Vergleich zum Tunnel relativ leer war. Nach der Nachricht über die Toten und Verletzten wollten sie aber nur noch weg und nach Hause.

Über einen Notausgang und viele Umwege gelangten sie schließlich zum Duisburger Hauptbahnhof. Fortsetzung siehe oben.

Mit dem selben Zug wie Anna und ihr Freund kommen die 32 Jahre alte Ilka de Blois und Julia Völpel (25) von der Love-Parade in Uerdingen an. Gestrandet. Die beiden Freundinnen aus Stuttgart sind erfahrene Raver. Sie sind erschüttert.

"Es war entsetzlich. Die Organisation und das ganze Konzept mit dem viel zu kleinen, abgesperrten Gelände war eine Katastrophe." Die Freundinnen, die aus Wolfsburg bzw. Magdeburg stammen, vergleichen es mit ihren Erlebnissen in Berlin: "Dort war es gigantisch, hier nur dilettantisch."

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